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Beratung und Methoden Ko-Kreation

Vom Problem- zum Lösungsraum

Umgang mit Vielfalt und Komplexität in Change- und Innovationsprozessen

Inhaltsverzeichnis

Wenn wir mit einem Problem oder einer Herausforderung konfrontiert sind, besteht häufig die Versuchung, schnell nach Lösungen zu suchen, ohne sich ausreichend mit dem Problem befasst zu haben. Oft gehen wir davon aus, das Problem zu verstehen, übersehen jedoch, dass es gerade bei komplexen Fragestellungen unterschiedliche Perspektiven auf das Problem bzw. die Herausforderung geben kann. Ein vollständiges Verständnis ist selten möglich, doch es lässt sich eine gemeinsame Sichtweise entwickeln, indem unterschiedliches Wissen, Erfahrungen und Expertisen berücksichtigt werden. Ähnlich wie in der Fabel von den blinden Männern und dem Elefanten, bei der jeder Beteiligte nur einen Teil des Tieres wahrnimmt und unterschiedliche Schlussfolgerungen zieht, bringt das Zusammenführen aller Perspektiven ein umfassenderes Bild.

Um zu effektiven Lösungen zu gelangen, ist es wichtig, in einem ersten Schritt die verschiedenen Sichtweisen der Betroffenen zu verstehen und daraus ein gemeinsames Problemverständnis zu entwickeln. Nur so können gemeinsam getragene Lösungen gefunden werden. Fragen wie „Was ist der konkrete Bedarf?“, „Wer ist betroffen?“ und „Von wem können wir lernen?“ helfen dabei, unterschiedliche Realitäten zu erkennen und Annahmen zu hinterfragen. Am Ende dieses Prozesses steht im Idealfall eine gemeinsam formulierte Problemdefinition, die die Basis für eine gute Zusammenarbeit und gezielte Lösungsfindung bildet.

Auch im Lösungsprozess ist ein ähnliches Vorgehen entscheidend. Zunächst gilt es, verschiedene Ideen und Ansätze zuzulassen, bevor diese verdichtet und in konkrete Prototypen überführt werden. Dieser Übergang von divergentem zu konvergentem Denken ist entscheidend für den Erfolg eines Projekts. Es ist wichtig, ausreichend lange in der Phase der Divergenz zu verweilen, um neue Perspektiven zu erkunden und innovative Lösungen zu finden.

Der Übergang zur Phase der Konvergenz, in der sich das divergente Denken verdichtet, ist oft herausfordernd, aber notwendig, um das Projekt voranzubringen. Die Phase der Divergenz hilft Unterschiede zu verstehen und Vielfalt zu integrieren, kann jedoch auch zu Unsicherheit, Kritik, Missverständnissen, Frustration oder sogar zu Konflikten führen. Dies kann unangenehm sein, ist jedoch ein wichtiger Teil des Prozesses. Wichtig ist, diese „Knirschzone“ auszuhalten, in der sich die Beteiligten mit ihren unterschiedlichen Ansichten und Erfahrungen erst einmal kennen- und verstehen lernen müssen. Durch das Zuhören, den Austausch von Perspektiven und das Loslassen von weniger hilfreichen Ansätzen können schliesslich ein gemeinsames Verständnis und eine tragfähige Lösung entwickelt werden.

Anwendung des Tools, hilfreiche Fragen

Problemraum, Phase der Divergenz > Sichtweisen auf das Problem kennenlernen und besser verstehen, beobachten

  • Was ist der konkrete Bedarf (need)?
  • Was sind die Herausforderungen?
  • Was wissen wir, was denken wir?
  • Was wissen/verstehen wir noch nicht?
  • Welche Barrieren könnten uns davon abhalten, das Thema bzw. die Herausforderung anzugehen?
  • Was bedeuten diese Barrieren? Wie könnten wir sie überwinden?
  • Wer ist betroffen? Wer könnte uns weiterhelfen? Wer weiss mehr dazu?
  • Wann und wie könnten wir diese Personen erreichen?
  • Wie genau, mit welchen Methoden? Zum Beispiel Interviews, teilnehmende Beobachtung, Begleitung, Workshop, Skizzen, Zeichnungen, Visualisierungen, Lerntagebücher, Foto Essays etc.

Problemraum, Phase der Konvergenz > verdichten, Einsichten formulieren

Mögliche Schritte und Fragen sind hier:

  • Herausforderungen, Bedürfnisse sammeln und clustern > und dann Einsichten formulieren;
  • auf Basis der Einsichten „Wie könnten wir …?“-Fragen entwickeln;
  • die passendste(n) Frage(n) auswählen – als Basis für ein Brainstorming (siehe Lösungsraum);
  • sich gemeinsam auf ein Problem/eine Herausforderung einigen, das/die als nächstes gemeinsam angegangen werden kann.

Lösungsraum, Phase der Divergenz > sich eine mögliche Zukunft vorstellen

Ein mögliches Vorgehen ist hier:

  • Ideen brainstormen
  • Ideen bewerten/auswählen
  • Mögliche Fragen/Kriterien für die Auswahl:
    • Wie begeistert bin ich von der Idee?
    • Wie innovativ/anders fühlt sich die Idee an?
    • Wie praktikabel ist die Idee?
    • Welche Wirkung hat die Idee in Bezug auf die gemeinsam gewählte Herausforderung?

Lösungsraum, Übergang von der Phase der Divergenz zur Phase der Konvergenz > spezifische Lösungen entwickeln

Prototypen entwickeln, mögliche Fragen hierfür:

  • Wer ist die ideale Nutzerin, der ideale Nutzer?
  • Was sind mögliche Schlüsselerfahrungen der Nutzerin / des Nutzers? > diese festhalten, zeichnen (z.B. in einem Storyboard mit Titel, Zeichnung, Beschreibung)
  • Was ist die wichtigste Frage, die jeweils beantwortet werden muss?
  • Wie könnten wir es testen?
  • Priorisieren, auswählen > Prototyp erstellen: z.B. Modell, Rollenspiel, Skizze, Geschichte, …
  • Feedback einholen, z.B. mit Fragen wie:
    • Wer, was, wo?
    • Das Gute?
    • Das Schlechte?
Impressum

Titelbild: AGRIDEA

Grafiken/Illustrationen: Ruth Moser, AGRIDEA

Fachliche Mitarbeit: Gruppe Bildung und Methoden, AGRIDEA

Bibliographie: Sam Kaner, 2014: Facilitator’s Guide to Participatory Decision-Making

Ideo.org, 2015: The Field Guide to Human-Centered Design

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