Kollegiales Coaching
Hin und wieder kann es in einem innovativen Projekt sinnvoll sein, einen Zwischenstopp einzulegen, um anstehende Fragen oder Herausforderungen zu betrachten und die Perspektive sowie Erfahrung der Kolleginnen und Kollegen miteinzubeziehen. Eine einfache Methode dafür ist das kollegiale Coaching.
Wie funktioniert es?
Phase 1: Rollen vereinbaren (2 Minuten)
Im Coaching-Prozess gibt es verschiedene Rollen: eine Person bringt ihr Anliegen ein, eine andere ist Moderator/-in und eine dritte übernimmt das Zeitmanagement. Alle weiteren Personen übernehmen die Rolle der Berater/-innen beziehungsweise des «reflecting Teams». Abhängig von der Gruppengrösse ist es möglich, mehrere Anliegen parallel zu behandeln. Idealerweise besteht eine Coachinggruppe aus mindestens 4 bis 5 Personen, auch grössre Gruppen sind möglich.
Phase 2: Situation darstellen, Anliegen klären (10 Minuten)
Die falleinbringende Person schildert möglichst konkret die Situation und das heutige Anliegen an das Coaching (z. B. auf einem Flipchart). Dabei handelt es sich um ein echtes Anliegen. Die beratenden Personen hören aufmerksam zu und machen Notizen zu Beobachtungen, Gedanken, Gefühlen und Fragen. Bei Bedarf stellen sie am Ende der Darstellung Verständnisfragen.
Phase 3: Kollegiales Gespräch – Resonanz und Hypothesenbildung (10 Minuten)
Die Beraterinnen und Berater äussern ihre Wahrnehmungen, Gefühle und Hypothesen, die während der Schilderung des Falls entstanden sind, und können dabei ungehindert ihrem spontanen Einfallsreichtum folgen. Beobachtungen sind erwünscht, Wertungen hingegen nicht. In dieser Phase sind keine Ratschläge oder Lösungen gefragt. Die falleinbringende Person hört aufmerksam zu (kein Augenkontakt, aber in Hörweite). Am besten dreht sich die ratsuchende Person um und hat einen Notizblock sowie einen Stift in der Hand.
Phase 4: Erste Rückmeldung (5 Minuten)
Die falleinbringende Person wendet sich wieder der Gruppe zu und erläutert, welche Aussagen sie angesprochen oder möglicherweise irritiert haben. Die Beratungspersonen hören zu (keine Diskussion).
Phase 5: Kollegiales Gespräch – Kreatives sammeln von Lösungsideen (10 Minuten)
Die Beratungspersonen tauschen Lösungsideen bezogen auf das Anliegen bzw. die Fragen der falleinbringenden Person aus. Die falleinbringende Person hört aufmerksam zu (kein Augenkontakt, aber in Hörweite). Am besten dreht sich die ratsuchende Person um und hat einen Notizblock sowie einen Stift in der Hand.
Phase 6: Zweite Rückmeldung (5 Minuten)
Die falleinbringende Person äussert sich zu dem Gehörten: Zurück zur Phase 2, wenn Zeit vorhanden ist.
Phase 7: Abschluss (5 Minuten)
Alle reflektieren den Coaching-Prozess und ziehen individuelle Schlüsse:
- Für ein späteres kollegiales Coaching: Was hat sich im Verfahren und im Gesprächsstil bewährt, und was könnten wir anders angehen?
- Für die eigene Praxis: Was nehme ich aus dem Fall mit?
Voraussetzungen und Hinweise:
- Wohlwollende und wertschätzende Haltung aller Beteiligten
- Vertraulichkeit
- Die ratsuchende Person bestimmt, wohin die Reise gehen soll.
- Der Austausch in den Phasen 3 und 5 soll sich am formulierten Anliegen der falleinbringenden Person orientieren.
Wann ist das Instrument geeignet?
- Wenn Einzelne für ihre Anliegen die Unterstützung einer Gruppe wünschen.
- Bei komplexen Themen und Anliegen, die nicht rein fachlicher Natur sind, sondern unterschiedliche Blickwinkel bzw. eine ganzheitliche Betrachtung erfordern, z. B. komplexe Projekte, strategische Fragen oder konfliktreiche Situationen.
- Wenn Personen in einer Gruppe oder einem Team bereit sind, voneinander zu lernen.
- Es ist meist auch wirksam, wenn die ratsuchende Person ihr Anliegen vorerst nur diffus formulieren kann.
- Kollegiales Coaching funktioniert im Kreis von Kolleginnen und Kollegen, professionelle Begleitung ist nicht notwendig.
Moderationstipps
Allgemein
- Die jeweiligen Phasen mit ihrem Ziel ankündigen und auf die Einhaltung der Zeitvorgaben achten
Phase 2 – Verständnisfragen
- Keine Suggestivfragen bzw. Lösungsvorschläge zulassen! z.B. „…warum hast du nicht?“
Phase 3 – Resonanz und Hypothesenbildung
- Keine Ratschläge oder Lösungsideen zulassen!
Phase 5 – Kreatives Sammeln von Lösungsideen
- Keine Diskussion über Ideen zulassen, nur kreatives Sammeln!
Phasen 4 und 6 – Rückmeldungen
- Kein Rechtfertigen für nicht berücksichtigte Lösungen oder Hypothesen!
Phase 7 – Blitzlicht zum Abschluss
- Keine „Rückfälle“ ins Thema bzw. weitere Hypothesen und Ratschläge zulassen!
Impressum
Titelbild: AGRIDEA
Fachliche Mitarbeit: Gruppe Beratung und Methoden, AGRIDEA
Bibliographie: