Hanf: Interview mit Experten
- Post author Von Sanzio Rombini (AGRIDEA), Ludovic Piccot (AGRIDEA), Gregory Métrailler (AGRIDEA)
- Post date 09.02.2024 (aktualisiert am 04.06.2024)
Inhaltsverzeichnis
Wie in den vorangegangenen Kapiteln gesehen, hat Hanf viele Anwendungen und Verwendungszwecke und ebenso vielfältig sind die Unternehmen, die sich für diese Kultur interessieren.
Wir haben Interviews mit Personen aus verschiedenen Unternehmen geführt, die täglich mit Hanf arbeiten und Experten auf diesem Gebiet sind, um ihre Sicht auf diese Kultur zu verstehen.
Zwei dieser Unternehmen sind besonders im Bereich Lebensmittelhanf tätig, eines im industriellen Bereich, eines im Bereich der Extraktion von CBD aus Blüten und ein Unternehmen repräsentiert die Vereinigung all dieser Unternehmen, die mit Hanf arbeiten.
Name | Unternehmen | Tätigkeit |
Lukas Brunner | IG HANF | Berufsverband der Schweizer Cannabisindustrie |
Lucien Pête | Swissextract | Vollständige CBD-Kette: vom Anbau der Pflanze bis zur Extraktion |
Florian Meyer | Flowhemp | Vermarktung von Lebensmitteln aus Hanf |
Daniel Appert | Hanfwohl | Produktion und Verarbeitung von Hanf für Lebensmittelzwecke |
Audanne Comment | MATILDA | Interesse und Kommunikation über nachhaltige Baumaterialien |
Lukas Brunner
Lukas ist Jurist und arbeitet seit etwa einem Jahr bei der IG Hanf. Die IG Hanf ist der Berufsverband der Schweizer Cannabisindustrie. Sie vertritt die gesamte Produktionskette von Hanf, vor allem aber den CBD- und THC-Anteil. Ihre Aufgabe ist es, Cannabis nachhaltig in der Gesellschaft zu etablieren und einen regulierten Cannabismarkt zu schaffen, um der Schweiz eine Vorreiterrolle in der globalen Cannabisindustrie zu sichern. Sie vertritt die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber der Politik, den Behörden und der Öffentlichkeit. Für Lukas ist der Hanfmarkt sehr heikel und volatil, da er stark von in- und ausländischen Gesetzen abhängt.
Die Schweiz erlebte in den letzten Jahren eine Sternstunde des CBD-Hanfs, weil sie als eines der wenigen Länder einen THC-Gehalt von 1 % erlaubte, was höher war als in anderen Ländern. Derzeit ist der Schweizer CBD-Markt jedoch zusammengebrochen, da andere ausländische Länder den zulässigen THC-Gehalt in CBD-Produkten ebenfalls erhöht haben und die Schweiz daher hinsichtlich der Produktionskosten nicht wettbewerbsfähig sein kann.
Allerdings befinden wir uns derzeit an einem Wendepunkt, da ein Umdenken stattfindet und es durchaus möglich ist, dass die Schweiz in Zukunft das Betäubungsmittelgesetz ändert, um THC-Hanf für Freizeit- und medizinische Zwecke zu legalisieren. In mehreren Schweizer Kantonen laufen derzeit Pilotversuche zur kontrollierten Produktion und zum kontrollierten Verkauf von THC-Hanf. In diesem Bereich könnte die Landwirtschaft eine Rolle spielen, da die Hanfproduktion in diesen Pilotversuchen aus der Schweiz stammen und den Richtlinien für den biologischen Landbau entsprechen muss. In der Kosmetik- und Medizinalbranche müssen sehr strenge Produktionsstandards eingehalten werden und der Anbau erfolgt in der Regel in kontrollierten und geschlossenen Umgebungen. Für die Zukunft sieht Lukas eine Stagnation der Nachfrage nach CBD-Produkten und einen Anstieg der Nachfrage nach THC-Hanf, sofern die Gesetzgebung in die richtige Richtung geht. Die Herausforderung wird weiterhin darin bestehen, Produkte von sehr hoher Qualität zu haben, um wettbewerbsfähig zu sein, und Felder mit einem hohen Sicherheitsstandard.
Lucien Pête
Lucien Pête ist einer der Gründer des Unternehmens Swissextract und derzeit für das operative Geschäft zuständig.
Seiner Meinung nach erlebte die Schweiz noch vor einigen Jahren einen Produktionsboom für CBD-Hanf, da sie eines der wenigen Länder war, in denen CBD-Hanf mit einem THC-Gehalt von bis zu 1 % legal produziert werden durfte. Heute haben jedoch auch andere Länder den gesetzlichen Grenzwert für den THC-Gehalt in CBD-Sorten erhöht. Da die Schweiz keinen Zollschutz genießt, wird ausländischer CBD-Hanf zu niedrigen Preisen importiert, was auf Kosten der Qualität geht, weshalb der Schweizer CBD-Markt fast verschwunden ist.
Swissextract gehört zu den wenigen Unternehmen, die noch auf dem Markt präsent sind, insbesondere weil sie den Vorteil hat, die gesamte Produktions- und Verarbeitungskette zu beherrschen (Auswahl der Sorten, Produktion, Trocknung, Extraktion von CBD, Verarbeitung zu kosmetischem Öl). Außerdem gehört sie zu den Unternehmen, die Cannabis mit THC für eines der Pilotprojekte der Konföderation produzieren. Für Lucien liegt die Zukunft, wenn sich die Gesetzgebung positiv entwickelt, sicherlich in der legalen Produktion und Extraktion von THC-Hanf. Wenn sich die Gesetzgebung in Richtung einer Legalisierung mit kontrollierter einheimischer Produktion entwickelt, werden Produzenten gesucht. Laut Lucien wird der Schlüssel zum Erfolg vor allem darin liegen, Qualität zu produzieren und von einer Zollschutzpolitik zu profitieren, die mit Lebensmitteln wie bestimmten Gemüsesorten vergleichbar ist: Die Grenzen werden nur dann für Importe geöffnet, wenn die inländische Produktion nicht ausreicht. Das Interesse der Verbraucher an CBD- und THC-Produkten ist groß, wie eine von der NZZ veröffentlichte Studie zeigt, aber es bedarf einer klaren politischen Position zugunsten der Cannabisindustrie.
Derzeit rät Lucien den Produzenten davon ab, in die Produktion von CBD-Hanf einzusteigen, da die Marktsituation schwierig ist. Wenn einige dennoch produzieren wollen, empfiehlt er, sich im Vorfeld gut über die Produktion, die Logistik nach der Ernte und die potenziellen Käufer zu informieren. Denn anders als z. B. bei Getreide gibt es für Hanfblüten keine Sammel-, Sortier- oder Trocknungsstellen, so dass man alles selber machen muss.
Audanne Comment
Audanne Comment ist Vorsitzende des Vereins MATILDA, der eine Plattform für den Austausch und die Diskussion über Baustoffe darstellt.
Laut Audanne gibt es leider nur wenige Begegnungen zwischen der Landwirtschaft und der Baubranche, obwohl Hanf ein theoretisches Potenzial als Baumaterial hat.
Hanf kann in verschiedenen Formen verwendet werden, als Rollen, Blöcke und vorgefertigte Platten. Er kann auch direkt auf der Baustelle verarbeitet werden, dann wird er in Schalungen gegossen oder auf die Wände gespritzt. Er dient als Baustoff (Beton) oder als Wärmedämmung, sowohl bei Renovierungen als auch bei Neubauten. Heute sind nur etwa 10 % der in der Schweiz verwendeten Dämmstoffe biobasierten Ursprungs, die meisten Gebäude werden mit Polystyrol, einem aus Erdöl gewonnenen Polymer, gedämmt. Die Verbesserung der CO2-Bilanz im Bauwesen könnte jedoch in den nächsten Jahrzehnten zu einem vorrangigen Ziel werden. Gleichzeitig verteuern sich die Energiekosten für die Herstellung konventioneller Materialien, was umweltfreundliche Materialien attraktiver macht. Der Markt für biobasierte Produkte wie Hanf dürfte in den nächsten Jahren in der Schweiz stark wachsen, ähnlich wie bereits in Europa.
Hanf im Bauwesen ist in der Schweiz noch ein Nischenprodukt, das nur auf kleinen Baustellen eingesetzt wird. Dabei hat er große Qualitäten. Er ist leicht, isolierend, wasserdampfdurchlässig und resistent gegen Insekten und Nagetiere. Die Ressource ist erneuerbar, benötigt bei der Verarbeitung wenig graue Energie und ist recycelbar. Um seine Verwendung zu intensivieren fehlen jedoch noch die Zertifizierungen, die alle Baunormen erfüllen. Materialien auf Hanfbasis werden in der Regel aus Frankreich oder Deutschland importiert. Da die europäischen technischen Daten nicht direkt übertragbar sind, schrecken die Westschweizer Architekten und ihre Bauherren manchmal davor zurück, ein nicht zertifiziertes Produkt zu verbauen.
Da der Markt noch nicht ausreichend entwickelt ist, gibt es in der Schweiz keine Hanfbranche, die Landwirte, Verarbeiter, Einzelhändler und Handwerker umfasst. Eine solche aufzubauen würde bedeuten, dass zunächst in eine Hanfplantage investiert werden müsste. In der größten Hanfplantage Europas in L’Aube in Frankreich bauen 650 Landwirte auf 10 500 Hektar Hanf an. Für eine Tonne verarbeitetes Stroh erhalten sie 99 % verwertbare Nebenprodukte ohne chemische Zusätze.
Die wenigen qualifizierten Handwerker in der Westschweiz haben versucht, die Technik für das Verlegen von Hanfbeton auf der Baustelle zu optimieren, um die Dauer des Eingriffs zu verkürzen und die Arbeitskosten zu begrenzen. Hanfbeton ist eine Mischung aus Kalk und Hanfschäben, die erstmals in den 1980er Jahren in Frankreich im Bauwesen angewendet wurde. Auch wenn der Einbauprozess heute beherrscht wird, könnte die Forschung und Entwicklung in Zukunft zu noch effizienteren Lösungen führen.
Wie sieht die Zukunft aus?
Vor dem Hintergrund der Reduzierung des Kohlenstoffausstoßes gibt es zwei Möglichkeiten, den Baubereich zu dekarbonisieren:
Erneuerbare Energie für die Herstellung konventioneller Baustoffe nutzen
Biobasierte Materialien verwenden, die als potenzielle Alternativen angepriesen werden
Im zweiten Fall gehören Hanf und Stroh zu den vielversprechendsten Materialien. Welche Wege in Zukunft eingeschlagen werden, hängt sowohl vom politischen Willen als auch von den Energiepreisen ab. In jedem Fall besteht ein entscheidender Bedarf an Aufklärung und Kommunikation, um die Vorteile dieser neuen Materialien bekannt zu machen.
Florian Meyer
Florian Meyer ist der Gründer von Flowhemp, einem jungen Unternehmen mit Sitz im Kanton Freiburg, das Lebensmittel auf Hanfbasis vermarktet.
Laut Florian ist der Markt für Lebensmittel auf Hanfbasis noch eine Nische. Geschälte Samen sind besonders beliebt und auch verzehrfertige Produkte wie Kekse oder pflanzliche Gewürze stoßen auf eine große Nachfrage. Hanfmehl, das sehr nährstoff- und proteinreich ist, könnte einen größeren Erfolg verzeichnen, wenn mehr Bäcker es für die Herstellung von Brot verwenden würden. Hanföl hingegen ist zwar in der breiten Öffentlichkeit bekannt, wird aber am wenigsten konsumiert.
Da Hanfsamen schon sehr lange verwendet werden, gibt es im Gegensatz zu CBD-Produkten keine Probleme im Zusammenhang mit dem Novel-Food-Gesetz.
Was die Rohstoffe betrifft, so stammt alles aus der Schweiz. Im Jahr 2022 waren es 5 Landwirte auf insgesamt 2 ha, die im Freiland die Hanfsamen für die verschiedenen Flowhemp-Produkte produzierten. Das Stroh wurde den Landwirten überlassen und sicherlich kompostiert oder als Mulch verwendet. Dieses Stroh könnte ein hervorragendes Nebenprodukt sein, aber leider gibt es in der Schweiz derzeit keine Zerfaserungsmaschine, da dieses Element fehlt, um Fasern und Schäben zu trennen, die verschiedene Möglichkeiten der Verwertung bieten. Eine gebrauchte Maschine kostet ca. 200 000 CHF (neu ca. 1 Mio. CHF) und rentiert sich erst ab einer Anbaufläche von 1000 ha.
Florian ist jedoch der Meinung, dass es sicherlich Lowtech-Lösungen in kleinerem Maßstab gibt, die es ermöglichen würden, das Hanfstroh in seinem wahren Wert zu verwerten.
Florian ist in einer Interessengruppe aktiv, die sich aus Leuten zusammensetzt, die an der Entwicklung einer lokalen Textilbranche interessiert sind. Er wäre auch daran interessiert, eine Genossenschaft zu gründen, die sich aus Hanfbauern zusammensetzt, um beispielsweise gemeinsam Maschinen zu finanzieren.
Welche Zukunft hat der Hanf in der Schweiz? Florian ist der Meinung, dass die Hanfpflanze viele Umweltprobleme löst, sowohl im Bereich der Ernährung als auch des Klimas, was sie zu einer Kultur mit grossem Potenzial macht. Daher sollte man sich mehr mit ihr beschäftigen und die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten dieser so lange verteufelten Pflanze besser kommunizieren. In seinem Unternehmen plant Florian, das Hanfstroh zu Heizpellets zu verarbeiten.
(Weitere Informationen: 10 Minuten der Sendung Côté Jardin auf RTS widmeten sich am 24.9.23 diesem Thema.: Link zum Interview.)
Daniel Appert
Daniel ist Projektleiter bei Hanfwohl.
Hanfwohl ist eine Organisation, die aus 13 Produzenten aus dem Freiamt (AG) besteht, die das gemeinsame Ziel haben, Hanf zu produzieren und zu Lebensmitteln zu verarbeiten. Ihr Angebot besteht hauptsächlich aus zwei Produkten: Hanfsamen und Hanföl. Je nach Verarbeitungsgrad können die Samen als Ganzes oder geschält verwertet werden, während das Öl immer aus ganzen Samen gewonnen wird.
Sie verwenden eine Sorte, Finola, die auf der europäischen Sortenliste steht, wodurch gewährleistet wird, dass der THC-Gehalt des Endprodukts die zulässige Höchstkonzentration nicht überschreitet. Finola ist eine Sorte mit geringem Wachstum, was den Vorteil hat, dass die Ernte mit normalen Mähdreschern durchgeführt werden kann und somit keine Spezialmaschinen erforderlich sind.
Für Daniel ist Hanf ein Produkt mit vielen Qualitäten. Aus agronomischer Sicht ist Hanf eine gute Bereicherung in der Fruchtfolge, eine Pflanze mit einer sehr hohen Biodiversität auf dem Feld und nicht allzu schwierig anzubauen. Als Nahrungsmittel liefert er viele hochwertige ungesättigte Fettsäuren, eine hohe Konzentration an Proteinen. Außerdem erfüllt er die Anforderungen des Marktes und die staatlichen Anreize für ein nachhaltiges Produkt gut, da die gesamte Wertschöpfungskette in der Schweiz angesiedelt ist. Derzeit handelt es sich vor allem aufgrund des Preises noch um ein Nischenprodukt, aber Hanfsamen sind bereits bei großen Einzelhändlern erhältlich.
Ein Landwirt, der sich im Anbau versuchen möchte, wird keine Probleme bei der Produktion haben, sofern er ausreichend mit Stickstoff düngt, muss aber bei der Vermarktung aufpassen. Zunächst muss er sich nämlich vergewissern, dass die Sammelstelle in der Lage ist, die Ernte und das von ihm gewünschte Endprodukt zu verarbeiten.
Audanne Comment, MATILDA