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Tiergesundheit in der Sömmerung

Forschungsprojekte sowie Informationen zu Tierkrankheiten und Faktoren, die die Tiergesundheit auf der Alp beeinflussen, werden hier gesammelt und aufbereitet.

Inhaltsverzeichnis

This entry is part 2 of 3 in the series Tierhaltung auf der Alp

Auswirkungen der Sömmerung auf die Tiergesundheit – ein Überblick

Im Forschungsprojekt AlpFUTUR gaben 700 von 731 Personen an, sie würden ihre Tiere sömmern, weil die Alpung eine positive Wirkung auf die Tiergesundheit hat. Dieser Faktor wurde als zweithäufigster Grund genannt. Der positive Einfluss auf “Gesundheit, Widerstandskraft und Leistungsfähigkeit der Tiere” wurde 1982 in der Zusammenfassung der Alpkatastererhebungen des heutigen Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) auch bereits erwähnt.

Ob die Sömmerung grundsätzlich einen positiven Effekt auf die Tiergesundheit hat, hängt unter anderem davon ab, welche Tiere – das heisst, ob Milchkühe oder andere Nutztiere, ob Hochleistungs- oder eher extensive Rassen – auf den Alpen weiden.

Im Kapitel “Auswirkungen auf die gesömmerten Tiere” im Schlussbericht des AlpFUTUR-Teilprojektes “Nutztiere” wurden verschiedene Studien, die den Einfluss der Sömmerung auf die Tiergesundheit untersucht haben, folgendermassen zusammengefasst:

  • Das Futter während der Alpsaison reicht bei Milchkühen oft nicht, um ihren Energiebedarf zu decken. Sie reagieren darauf in erster Linie mit einem Rückgang ihrer Milchmenge. Vor allem bei Kühen zu Beginn der Laktation kann es nach dem Alpauftrieb zu Stoffwechselproblemen kommen. Grundsätzlich sind Hochleistungskühe nicht optimal angepasst für die Bedingungen auf der Alp.
  • Gesömmerte Aufzuchtrinder und Masttiere nehmen während der Alpsaison langsamer zu als ihre Artgenossen im Tal. Sie machen diesen Rückstand aber mit dem sogenannten “kompensatorischen Wachstum” wieder wett, sobald sie wieder qualitativ hochwertiges Futter in ausreichenden Mengen erhalten. Aufzuchtrinder, die gesömmert wurden, haben ausserdem eine erhöhte Milchmenge während ihrer ersten Laktation.
  • Die Alpung hat keine negativen Auswirkungen auf das Tierwohl. Abhängig vom Auslauf im Tal und von der Genetik der Tiere, kann der Alpaufzug für die Tiere aber sehr belastend sein
  • Auf Alpen, wo Tiere von verschiedenen Talbetrieben zusammenkommen, können Krankheiten übertragen werden und so neu in einem Tierbestand auftreten.

Eine Übersicht zu diesem Thema gibt es auch im Kapitel “Auswirkungen der Alpung auf das Rindvieh” im Neuen Handbuch Alp.

Auswirkung der Sömmerung auf antibiotikaresistente Bakterien beim Rind

An der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern läuft derzeit ein Forschungsprojekt zum Einfluss der Alpung auf antibiotikaresistente Bakterien bei Aufzuchtrindern.

Antibiotikaresistente Bakterien, also solche, bei welchen die eingesetzten Antibiotika nicht mehr wirken, stellen sowohl für Tiere als auch für den Menschen eine Gefahr dar. Bei Kälbern werden solche Bakterien häufig gefunden und weiter erforscht. Bis heute fehlen jedoch Informationen zur Alterskategorie “Rind”.

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden Anfang und Ende Sommer 2023 Aufzuchtrinder auf 14 Alp- bzw. 14 Talbetrieben beprobt. Die Probensammlung ist abgeschlossen und an dieser Stelle möchten wir uns bei allen Tierhaltern und Tierhalterinnen herzlich bedanken, welche am Projekt teilgenommen haben.

Momentan werden die Proben analysiert. Dabei geht es in einem ersten Schritt darum, ob bei Schweizer Aufzuchtrindern überhaupt antibiotikaresistente Bakterien vorkommen. Weiter werden wir untersuchen, ob die Sömmerung und/oder andere Managementfaktoren (z.B. Weidehaltung, Düngung der Weiden, etc.) einen positiven Einfluss haben. Erste Resultate werden für das Frühjahr 2024 erwartet.

Robin Schmid, Wiederkäuerklinik, Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern 2023

Bei Fragen zum Projekt stehen die Wiederkäuerklinik oder Dr. med. vet. Robin Schmid gerne zur Verfügung.

Panaritium beim Rindvieh

Moderhinke bei Schafen

Die Moderhinke ist eine schmerzhafte Klauenkrankheit bei Schafen. Sie befällt oft die ganze Herde und führt zu massiven wirtschaftlichen Einbussen. Wegen des erlittenen Tierleides muss die Krankheit auch im Sinne des Tierschutzes bekämpft werden.

Betroffene Tiere lahmen und grasen typischerweise auf den Vorderknien ruhend oder liegend. Häufig folgen Abmagerung und Milchleistungsrückgang. Dieser führt zu einer schlechteren Gewichtszunahme bei Lämmern. Die Folge für Tierhalterinnen und Tierhalter sind wirtschaftliche Einbussen wie tiefere Verkaufserlöse und höhere Behandlungskosten.

Moderhinke, Bundesamt für Lebensmittel und Veterinärwesen (BLV) 2023

Eine Ansteckung erfolgt durch direkten oder indirekten Kontakt mit erkrankten Tieren. Unter anderem geschieht dies bei der Sömmerung auf einer Gemeinschaftsalp, wo Tiere von verschiedenen Betrieben zusammenkommen.

Infizierte Schafe stellen das einzige Erregerreservoir für den Erreger der Moderhinke, den virulenten Stamm des Bakteriums Dichelobacter nodosus dar. Auf Weiden und in morastigen Wegen, die mit moderhinkekranken Schafen bestossen wurden, bleibt das Bakterium maximal vier Wochen überlebensfähig. Nach rund 4 bis 6 Wochen Weidepause vor der nächsten Bestossung stellt eine Parzelle also keine Gefahr für eine Moderhinkeinfektion mehr dar.

BLV – Moderhinke bei Schafen und Ziegen

Die Krankheit ist grundsätzlich heilbar und kann meist ohne die Anwendung von Antibiotika bekämpft werden. Die Behandlung ist aber langwierig und aufwendig. In der Regel wird die gesamte Herde über einen Zeitraum von bis zu 2 Monaten behandelt.

Tritt die Moderhinke bei einem Schaf auf, muss zwingend die ganze Herde behandelt werden. Die Klauen müssen bei allen Tieren geprüft und zurückgeschnitten werden. Die gesamte Herde muss danach [für mindestens 10 Minuten] durch ein Klauenbad. Diese Behandlung muss während 6 bis 8 Wochen in regelmässigen Abständen wiederholt werden.

Moderhinke, BLV 2023

Am 1. Oktober 2024 wird mit der schweizweiten Bekämpfung der Moderhinke begonnen. Genauere Informationen zum nationalen Bekämpfungsprogramm gibt es beim BLV und bei den kantonalen Veterinärämtern.

Auch beim Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer (BGK) gibt es Informationen zur Krankheit und über das Moderhinkte-Bekämpfungsprogramm. Unter anderem stellt der BGK verschiedene Merkblätter zum Thema Moderhinke (➔ Wissenswertes) zur Verfügung, zum Beispiel zur Biosicherheit oder dem Klauenbad. Auch ein Video zur Moderhinke-Sanierung wurde erstellt.

Fachinformationen zur Krankheit und Hinweise für eine erfolgreiche Sanierung gibt es ausserdem auf der Moderhinke-Webseite der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern.

Bekämpfung der Mastitis (Staphylococcus aureus Genotyp B)

Die Mastitis ist eine schmerzhafte Entzündung des Euters. Ihr häufigster Erreger ist das Bakterium Staphylococcus aureus mit dem ansteckenden Genotyp B (SAGB). Dieser Erreger ist besonders für Alpbetriebe relevant, wo Kühe von verschiedenen Heimbetrieben zusammenkommen und durch das Melken eine schnelle Verbreitung der Krankheit stattfinden kann. Im besonders betroffenen Kanton Tessin läuft seit 2017 ein Pilotprojekt zur Sanierung der von SAGB betroffenen Betriebe. Unterstützt wird das Projekt durch Agroscope. Seit Ende 2019 sind alle teilnehmenden Betriebe negativ auf SAGB.

Die Auswirkungen von SAGB für die Schweizer Milchwirtschaft sind gravierend und gehen mit einer unzureichenden Milchqualität, hohen Kosten für Antibiotika und Ausmerzung einher. Besonders davon betroffen sind die Berggebiete (Alpung), wo bis zu 40 Prozent der Herden infiziert sind. In diesem Projekt wollen die Forschenden erstmals einen ganzen Kanton (Tessin) bezüglich SAGB sanieren.

Staphylococcus aureus: Bekämpfung und neue Erkenntnisse, Agroscope 2023
BLW – Erste Erfolge im Kampf gegen Mastitis

Um Staphylococcus aureus GTB auf Herdenebene auszurotten, hat Agroscope einen hoch spezifischen und empfindlichen qPCR-Test zum Nachweis dieses Erregers in der Milch entwickelt und ein Verfahren erarbeitet, um infizierte Herden sehr effizient und sicher zu sanieren. […] Tatsächlich gelang es in einer Studie, alle GTB-infizierten Herden innerhalb von neun Monaten vollständig und nachhaltig zu sanieren. Dabei konnten 93% aller GTB-positiven Kühe erfolgreich geheilt und die Zellzahlen in der Milch deutlich gesenkt werden. In Kanton Tessin mit seiner ausgeprägten GTB-Problematik wurde das Verfahren mit sehr grossem Erfolg in die Praxis umgesetzt. Im Sanierungsprojet konnte die Infizierungsrate der Kühe von 10% auf 0,3% gesenkt werden. Die sanierten Herden blieben nach der Behandlung GTB-frei.

Graber H.U., Sanierung von Staphylococcus-aureus-Genotyp-B-infizierten Milchviehherden, Agrarforschung 2019

Agroscope – Staphylococcus aureus: Bekämpfung und neue Erkenntnisse

Agroscope – Staphylococcus aureus: Ein Problemkeim – Häufig gestellte Fragen rund um den Gentest

Veterinäramt des Kantons Tessin – Sanierungsprojekt SAGB (auf Italienisch)

Veterinäramt des Kantos Tessin – Alpvorschriften 2023

Hundeapotheke und Erste Hilfe beim Hund

Das AGRIDEA-Merkblatt “Hundeapotheke und Erste Hilfe beim Hund” beschreibt, wie der Gesundheitszustand eines Hundes täglich eingeordnet werden kann.

So kann bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes früh reagiert werden. Akute Notfallsituationen (Stillen akuter Blutungen, Magendrehung) werden ebenfalls behandelt.

Das Merkblatt enthält ausserdem eine Liste mit exemplarischen Inhalten einer Hundeapotheke und Hinweise zur Arbeitsorganisation, sollte ein Hund zum Tierarzt müssen.

Weitere Informationen

Tierseuchen beim BLV

➔ BGK – Merkblätter zu Lippengrind, Aborten, Geburtshilfe, Weideparasiten, Pseudotuberkulose (kostenlos nur für BGK-Mitglieder)

Kantonale Alpfahrtsvorschriften

➔ Ländliches Fortbildungsinstitut (LFI) Österreich – Almen mit unterschiedlichen Weitetieren bewirtschaften –  Anatomie und Physiologie (u.a. Kontrolle der Tiergesundheit auf der Alp), Vorteile der Alpung für die Tiergesundheit, Tiergesundheit (u.a. typische Alperkrankungen, Alpapotheke)

➔ FiBL – Merkblatt Weideparasiten bei Schafen und Ziegen nachhaltig kontrollieren

Impressum

Titelbild: Wiederkäuerklinik, Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern

Ein Projekt von:

Logo AGRIDEA
Logo SAV

Kontakt:

Esther Haesen, AGRIDEA

Selina Droz, SAV

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