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Pflanzenschutz

Hochstammobstbau – Einsatz von Spritzgeräten mit hoher Reichweite

Mit dem Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (AP PSM) von 2017 hat der Bundesrat entschieden, dass über eine Periode von 10 Jahren die Risiken von PSM halbiert und die Anwendung von PSM nachhaltiger werden müssen. Neben zahlreichen anderen Massnahmen trägt auch dieses Merkblatt zu diesem Ziel bei.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Spritzgeräte mit hoher Reichweite wie Schlauchspritzen und Hochstammgebläsespritzen werden im Schweizer Obstbau hauptsächlich für die Behandlung von Hochstammobstbäumen verwendet.

Diese Spritzgeräte erlauben Behandlungen über grössere Distanzen. Es ist dabei zu beachten, dass sie aufgrund ihrer hohen Reichweite im Vergleich zu anderen Spritzgeräten anfälliger sind für erhöhte Drift, wenn sie nicht korrekt angewendet werden.

Dieses Merkblatt zeigt die gute Praxis im Umgang mit diesen Spritzgeräten, um einen möglichst guten Schutz der Kultur zu erreichen, die Schonung der umliegenden Fauna und Flora zu garantieren sowie Risiken für die Anwendenden, Nachbarschaft, Drittpersonen und für Oberflächengewässer zu vermeiden.

Definitionen

Schlauchspritze

Synonyme: Gun, Spritzpistole, Karrenspritze, Hochdruckspritze oder -lanze

Die Behandlung mit der Schlauchspritze erfolgt von Hand über eine Entfernung von bis zu 10 m. Die Schlauchspritzen werden vor allem im Weinbau und Hochstammobstbau verwendet. Generell handelt es sich immer um Druckmodelle. Manche sind mit zusätzlicher Luftunterstützung ausgerüstet, die die Verteilung der Spritzbrühe verbessert.

Gun-Behandlung; Foto: Bernadette Boppart

Hochstammgebläsespritze

Synonyme: Spritzgeräte mit Hochstammaufsatz, Hochstammgebläsesprayer

Die Hochstammgebläsespritze ist eine Gebläsespritze für Raumkulturen zur Behandlung von Hochstammobstbäumen. Sie besteht aus einem Axialgebläse mit einen gerichtetem Aufsatz welche die Behandlung von Bäumen bis max. 10 m Höhe erlaubt.

Spritzgerät mit Hochstammaufsatz; Foto: Hochstamm Suisse
Spritzgerät mit Hochstammaufsatz;
Foto: AGRIDEA, Broschüre Hochstamm

Durchführung der Behandlung

Art. 61 der Pflanzenschutzmittelverordnung (PSMV) legt die Sorgfaltspflicht fest. Demnach ist jede Person, die mit Pflanzenschutzmitteln oder ihren Abfällen umgeht, verpflichtet sicherzustellen, dass diese keine unannehmbaren Nebenwirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt haben.

Abstandsauflagen von Schutzobjekten 

Gemäss Anhang 4, Punkt 12.1.8 der Direktzahlungsverordnung (DZV) dürfen Hochstamm-Feldobstbäume (BFF) nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden, wenn sie weniger als 10 m Abstand ab dem Stamm zu Waldrand, Hecken, Feld- und Ufergehölzen sowie Gewässern aufweisen.

Um das Risiko von Abdrift zu minimieren, sollte bei der Verwendung von Spritzgeräten mit hoher Reichweite die Behandlung idealerweise mit den Schutzobjekten im Rücken durchgeführt werden. Wenn möglich, sollte die Behandlung auch gegen das Innere der Parzelle erfolgen.

Achtung: die Abstandsauflagen der jeweiligen Pflanzenschutzmittel zu Schutzobjekten und die Risikominderungsmassnahmen betreffend Drift sind zu einhalten. Weitere Informationen gibt es im AGRIDEA Merkblatt «Reduktion der Drift und Abschwemmung von Pflanzenschutzmitteln im Obstbau und in Strauchbeeren».

Zeichnung: AGRIDEA, Lucia Bernasconi
  1. Idealerweise nicht in Richtung der Schutzobjekte behandeln.
  2. Idealerweise nicht behandeln mit der von der Parzelle abgewandten Sprühstrahl.
  3. Idealerweise nicht behandeln mit der von der Parzelle abgewandten Sprühstrahl.
  4. Hochstamm-Feldobstbäume (BFF) dürfen nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden, wenn sie weniger als 10 m Abstand ab dem Stamm zu Gewässern aufweisen.
  5. OK: die Behandlung erfolgt gegen das Innere der Parzelle.
  6. OK: die Behandlung erfolgt mit den Schutzobjekten im Rücken.

Abstand zur Laubwand

Je grösser die Distanz vom Spritzgerät zur Kultur ist, desto grösser ist die Gefahr einer Abdrift und desto schlechter ist die Wirksamkeit der Behandlung. Deshalb sollte man die Spritzbrühe so nahe wie möglich am Objekt applizieren.

Hochstammgebläsespritze: idealerweise soll mit einer Entfernung von 1–2 m zur Laubwand bzw. zu den äussersten Ästen gefahren werden.

Unternutzung

Bei der Behandlung von Hochstammobstbäumen gelangen PSM auf den Boden. Werden Obstbäume oder Obstanlagen mit Unternutzung mit Pflanzenschutzmitteln behandelt, gelten:

  • für die Beweidung und den Schnitt die Wartefrist für bewilligte Herbizidbehandlungen auf Weiden und Wiesen;
  • die Wartefrist für die Obsternte für ins Laub applizierte Pflanzenschutzmittel.

Pflanzenmanagement

Ein fachgerechter Schnitt führt zu einer lockeren Baumkrone. Dies ist eine Grundvoraussetzung für eine gute Anlagerung und Wirkung der Pflanzenschutzmittel. Bäume mit einer Gesamthöhe von über 10 m sind schwer applizierbar. Es muss mit einer ungenügenden Anlagerung gerechnet werden. Die Gefahr der Abdrift nimmt zu.

Umweltfaktoren

Bei der Schlauchspritze wird durch den hohen Druck eine starke kinetische Energie auf die Tröpfchen übertragen, die damit grössere Entfernungen erreichen können. Dieses System erzeugt je nach Düsenöffnung ziemlich grosse Tropfen und verbraucht ein grosses Brühevolumen.

Um die grosse Reichweite von Hochstammgebläsespritzen zu erreichen, muss ein sehr hoher gezielter Luftstrom hergestellt werden. Die längere Verweildauer in der Luft, führt dazu, dass die Gefahr der Abdrift bereits bei schwachem Wind deutlich zunimmt. Auch aus diesen Gründen ist die gute Praxis bei der Anpassung an die Umweltfaktoren unbedingt einzuhalten.

Windgeschwindigkeit und Richtung

Spritzeinsätze sollten möglichst bei Windstille durchgeführt werden, d. h. Anwendungen bei dauerhaften Windgeschwindigkeiten über 5 km/h sind zu vermeiden und ab 20 km/h (~ 5 m/s) verboten. Windgeschwindigkeiten bis 5 km/h (~1 Bft, ~ 1,5 m/s) liegen vor, wenn:

  • Rauch nur leicht abtreibt;
  • sich die Windflügel und -fahnen nicht bewegen;
  • der Wind im Gesicht nicht fühlbar ist.

Nur behandeln, wenn der Wind oder die Thermik nicht gegen sich selbst und in die Richtung der Schutzobjekte weht.

Achtung: Vor allem bei der Behandlung vor der Blüte, wenn die Gefahr der Abdrift besonders gross ist, ist es wichtig, dass kein Wind weht!

Temperatur, Blattwerk- und Luftfeuchtigkeit

Hohe Temperaturen und trockene Luft führen zur Verdunstung kleiner Tropfen. Bei zu hoher Feuchtigkeit oder Tau dagegen können die Blätter nass sein und es kann zum Abtropfen der Spritzbrühe führen.

  • Ideal sind Temperaturen von ca. 8–25 °C und eine Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 60 %.
  • Nur abgetrocknetes Blattwerk behandeln.

Einstellungsparameter

Druck

Mit zunehmendem Druck und abnehmender Düsengrösse werden die Tröpfchen kleiner, was das Risiko von Abdrift erhöht.

Für die höheren Reichweiten im Hochstammobstbau wird mit der Schlauchspritze ein Druck von 40–45 bar mit einer Düsengrösse idealerweise von 3,5 mm eingesetzt.

Bei Hochstammgebläsespritzen mit Injektordüsen sind die Düsen und der Druck gemäss dem Hersteller so einzustellen, dass die in Kapitel 5.4 empfohlene Wasseraufwandmenge mit einer optimalen Tropfengrösse erreicht werden kann.

Für den TurboDrop® Injektordüsensatz «Hochstamm» sind die Düsendruck- und Ausstoss-Tabellen unter www.agrotop.com > Produkte > Düsen > Nach Anwendung > Raum- und Sonderkulturen > Hochstammanlagen zu finden.

Luftleistung Gebläse

Mit der Hochstammgebläsespritze wird mit ca. 70’000 m3 Luftleistung/h bei mittel- und grosskronigen Hochstammobstbäumen eine gute Durchdringung der Baumkrone erreicht. Bei kleineren Bäumen ist die Luftleistung analog der Wasser- und Präparatmenge zu reduzieren: um die Abdrift zu verringern, wird in diesem Fall empfohlen, unter 50‘000 m3 Luftleistung/h zu bleiben.

Fahrgeschwindigkeit

Mit der Hochstammgebläsespritze sollte man zwischen 3 und 4 km/h fahren. Bei grosskronigen Bäumen ist der untere Wert zu wählen. Zu schnelles Fahren wirkt sich negativ auf die Applikationsqualität im oberen Kronenbereich aus.

Wasseraufwandmenge und Konzentration

Wird mit grossen Wasseraufwandmengen behandelt, kann die Spritzbrühe von den Blättern abtropften. Eine zu geringe Menge erlaubt keine gute Blattbedeckung. Deshalb ist es sehr wichtig, die optimale Menge an Spritzbrühe zu applizieren.

Das Volumen der Brühe und die Menge des Pflanzenschutzmittels müssen an die zu behandelnde Blattfläche angepasst werden. Vor allem im Hochstammobstbau ist jeder Baum anders und ist es wichtig die Blattfläche über das Baumvolumen mittels der unten aufgeführten Methode zu bestimmen.

*Präparatmenge über Baumvolumen berechnet: 10‘000 m3 = 100 %; +/- 1000 m3 = +/- 5 %; Quelle: angepasst von Agrometeo (Agroscope) und dem Merkblatt zur Applikation von Pflanzenschutzmitteln im Hochstammobstbau (SG, TG, SH)

Zur korrekten Berechnung empfehlen sich die folgenden Informationsquellen: m3

Wartung und Prüfung der Pflanzenschutzgeräte

Die sorgfältige, regelmässige Wartung der Sprühgeräte garantiert einen optimalen Pflanzenschutz und trägt zum Schutz der umliegenden Fauna, Flora und Oberflächengewässer bei:

  • Gerät innen und aussen sowie Siebe, Filter, Filtereinsätze und Düsen gründlich reinigen (eventuell ersetzen).
  • Nachtropfverhinderung prüfen, Membranen ersetzen.
  • Die Düsen dürfen nicht nachtropfen.
  • Schläuche dürfen nicht geknickt sein und keine Scheuerstellen aufweisen, bei denen die Gewebeeinlage sichtbar ist. Leitungen und Verschraubungen auf Dichtheit kontrollieren.
  • Eine Funktionskontrolle durchführen.
  • Die Durchflussmenge der Düsen am Anfang der Saison überprüfen. Liegt dieser um 10 % unter oder über dem in der Spezifikation des Herstellers angegebenen Wert, muss die Düse ausgetauscht werden.

Selbstfahrende oder zapfwellenangetriebene Pflanzenschutz-Spritzgeräte, müssen alle drei Kalenderjahre durch eine anerkannte Stelle gemäss den Weisungen des Schweizerischen Verbandes für Landtechnik (SVLT) auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden. Die Liste aller anerkannten Prüfstellen wird jährlich veröffentlicht (www.agrartechnik.ch > Technik > Spritzentests).

Ausnahme: Schlauchspritzen und Gebläsespritzen mit Hochstammaufsatz, die ausschliesslich im Feldobstbau eingesetzt werden, müssen jährlich vom Produzenten auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden.

Technologie

Gerät mit Hochstammaufsatz mit Injektordüsen (TurboDrop®); Foto: LZSG, Fachstelle Obstbau, Richard Hollenstein

Düsen

Bei der Hochstammgebläsespritze sind Injektordüsen (TurboDrop®) dringend empfohlen. Durch die Behandlung mit niedrigem Druck wird die Abdrift erheblich verringert und die Anlagerung verbessert. Für den TurboDrop® Injektordüsensatz «Hochstamm» siehe Düsendruck- und Ausstoss-Tabellen.

Gerät von Mitterer, Baureihe VV mit hydraulisch schwenkbarem Turm; Foto: LZSG, Fachstelle Obstbau, Richard Hollenstein

Turm

Bei Hochstammgebläsespritzen verbessert ein Axialgebläse mit hochgezogenem Turm die Anlagerung. Der Turm ist idealerweise schwenkbar und kann so der Laubwand angepasst werden.

Reinigung der Pflanzenschutzgeräte

Alle Pflanzenschutzgeräte mit mehr als 400 l Inhalt, mit Ausnahme von Schlauchspritzen, müssen mit einem Spülwassertank und einer automatischen Spritzeninnenreinigung ausgestattet sein. Die Spülung von Pumpe, Filter, Leitungen und Düsen muss auf dem Feld erfolgen.

Die Innen- und Aussenreinigung des Spritzgeräts sollte wenn immer möglich direkt nach dem Ausbringen auf der behandelten Fläche erfolgen.

Ausführliche und vollständige Informationen über gute Praxis gibt es im AGRIDEA-Merkblatt «Befüll- und Waschplatz für Spritzgeräte – worauf ist zu achten?».

Anwenderschutz

Bei der Verwendung von PSM müssen sich die Anwendenden gemäss den Anweisungen auf der Etikette oder dem Beiblatt des Produkts schützen. Bei der Auswahl der Schutzausrüstung bietet die WebApp zum «Standard Anwenderschutz» Unterstützung, die unter url.agridea.ch/psa verfügbar ist. Ausführliche und vollständige Informationen zum Anwenderschutz gibt es im «Toolkit Anwenderschutz Pflanzenschutzmittel» unter url.agridea.ch/toolkit.

SchlauchspritzeHochstammgebläsespritze
Anmischen der Spritzbrühe und Befüllen des Tanks
Gemäss dem «Standard Anwenderschutz» ist die Standardausrüstung für das Anmischen der Spritzbrühe: Schutzhandschuhe, Ärmelschürze oder Schutzanzug, Visier oder dicht abschliessende Schutzbrille.
Während der Behandlung
Gemäss dem «Standard Anwenderschutz» ist die Standardausrüstung: Schutzanzug und Schutzhandschuhe. Wenn möglich während der Behandlung Stiefel tragen, da diese leicht zu reinigen sind. Wenn man Hochstammobstbäume mit Schlauchspritze behandelt, können Tropfen von den Bäumen fallen. Es wird empfohlen, die Kapuze des Schutzanzugs und ein Visier oder eine dicht abschliessende Schutzbrille zu tragen, um eine Kontamination von Kopf, Hals und Gesicht zu vermeiden.Traktor mit Traktorkabine Kat. 4 (oder äquivalent, d. h. mit dreistufiger Filtrierung) verwenden. Wenn man nicht über diese Ausrüstung verfügt, muss eine Persönliche Schutzausrüstung (PSA) getragen werden: Schutzanzug und Schutzhandschuhe.
Gun-Behandlung mit Schutzanzug, Handschuhen und Visier; Foto: AGRIDEA, Charlotte Jäggi
Gun-Behandlung mit Schutzanzug, Handschuhen und Visier; Foto: AGRIDEA, Johannes Hanhart

Glossar

Drift: Teil der Spritzbrühe, der während der Ausbringung aus der behandelten Fläche durch die Einwirkung von Wind weggetragen wird.

Schutzobjekte mit Auflagen: Oberflächengewässer, Siedlungs- und Erholungsgebiete, Biotope, Naturschutzflächen und Parzellen mit blühenden Pflanzen.

Zusätzliche Informationen und Literatur

Dubuis P.-H., Monod V., Gindro K. (2019) Pulvérisateurs de type gun et canon: étude de littérature sur leur utilisation et les risques spécifiques. Revue suisse Viticulture, Arboriculture, Horticulture : 51(5), 300–305.

Siegfried W., Holliger E., Viret O., Crettenend Y., Mittaz Ch., Antonin Ph. (2000) Applikationstechnik im Weinbau – Teil 1, Wirkstoffbilanzen bei verschiedenen Pflanzenschutzgeräten. Schweizerische Zeitschrift für Obst- und Weinbau: 137(6), 104–107.

Siegfried W., Holliger E. (2000) Applikationstechnik im Weinbau – Teil 2, Helikopter im Vergleich zu Axialsprayer und Überzeilengeräten. Schweizerische Zeitschrift für Obst- und Weinbau : 137(7), 127–130.