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Nährwert- und Umweltkenn-zeichnungen

Eine gesunde und nachhaltige Ernährung steht im Zentrum vieler Debatten und verschiedenste Akteure fordern mehr Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit und Gesundheit bei Lebensmitteln. Deshalb entstehen neue Nährwert- und Umweltkennzeichnungen inmitten der Labels und anderen Gütesiegeln, die die Konsument/innen bei ihren Kaufentscheidungen unterstützen sollen. Diese Publikation gibt einen ersten Überblick zu den verschiedenen Kennzeichnungen, die es in der Schweiz gibt.

Inhaltsverzeichnis

Angesichts des derzeitigen Bevölkerungswachstums stehen Fragen der menschlichen Gesundheit und der nachhaltigen Entwicklung im Mittelpunkt der politischen Herausforderungen. Die Konsumentinnen und Konsumenten fordern ausserdem mehr Qualität und Transparenz bei Lebensmitteln. Aus diesem Grund entstehen neue Nährwert- und Umweltkennzeichnungen oder Scores inmitten all der Labels und anderen Gütesiegeln, die es in der Schweiz bereits gibt.
Um das Verständnis und die Transparenz zu verbessern, schafft diese Publikation einen ersten Überblick zu den verschiedenen Kennzeichnungen, die es in der Schweiz gibt. Sie ermöglicht auch einen Überblick zu den Hauptkritikpunkten und hebt schliesslich deren mögliche Auswirkungen auf die Schweizer Labelprodukte hervor.

Ziel


Ziel dieses Dokuments ist es, eine Bestandsaufnahme der verschiedenen in der Schweiz existierenden Nährwert- und Umweltkennzeichnungen zu liefern. Dazu werden auch die Grenzen dieser Kennzeichnungen aufgezeigt, wie sie von bestimmten Branchenverbänden wahrgenommen werden und / oder aus bibliografischen Recherchen hervorgehen. Ausserdem werden die potenziellen Auswirkungen dieser Kennzeichnungen auf die Schweizer Labelprodukte erläutert.

Methodik

Der Inhalt dieser Publikation baut auf einer Studie auf, die im Rahmen eines Praktikums durchgeführt wurde. In einem ersten Schritt wurde eine Literaturrecherche zu den verschiedenen Nährwert- und Umweltkennzeichnungen für Konsumierende durchgeführt. Parallel dazu wurden Ladenbeobachtungen in mehreren Supermärkten (Coop, Migros, Denner und Aldi) sowie in einem Fachgeschäft in Lausanne (Bio C‘ Bon) durchgeführt. Diese Feldarbeit konzentrierte sich stärker auf die Bewertung von Schweizer AOP- und IGP-Produkten und deren Vergleich mit Produkten der gleichen Kategorie. Diese Produkte wurden mit den Apps «Open Food Facts» und «Yuka» gescannt, um die Nährwert- und Umweltbewertungen zu erhalten. 

Diese ersten Schritte haben Unstimmigkeiten aufgedeckt und Fragen aufgeworfen. Aus diesem Grund wurden Interviews mit verschiedenen Institutionen (Beelong; die Schweizerischen Vereinigung der AOP-IGP; IP-Suisse; Bio Suisse; «Fédération romande des consommateurs» (FRC); Schweizer Milchproduzenten (SMP)) geführt, um die potenziellen Auswirkungen dieser freiwilligen Kennzeichnungen auf die Vermarktung bestimmter Schweizer Labelprodukte (AOP, IGP, IP-Suisse und Bio Suisse) zu verstehen. Diese verschiedenen Interviews ermöglichten es, den Standpunkt und die Positionierung der befragten Personen zur Entwicklung der Kennzeichnungen zu ermitteln. Sie ermöglichten es auch, die wahrgenommenen Risiken und Chancen der Kennzeichnungen für die verschiedenen Produkte aufzuzeigen.

Die Nährwertkennzeichnungen

Die Kennzeichnung von verpackten Lebensmitteln unterliegt in der Schweiz mehreren Massnahmen, die in der Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) betreffend der Information über Lebensmittel näher erläutert werden (LIV 2016). Während die Prävention von Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Mittelpunkt der Gesundheitssysteme steht (BAG, 2021 ), ist die Angabe des Gehalts an gesättigten Fettsäuren und Zucker in der Schweiz im Gegensatz zu den europäischen Ländern nicht vorgeschrieben (OIADI, 2016; Reglement (EU) n°1169/2011 ).
Es werden immer mehr Nährwertanzeigen entwickelt, die den Konsumierenden helfen sollen, bei den Lebensmitteln eine bessere Wahl für die Gesundheit zu treffen.

Bestandsaufnahme der verschiedenen Nährwertkennzeichnungen


In der Schweiz befürwortet die Allianz der Verbraucherorganisationen die Anwendung eines Kennzeichnungssystems mit Farbcode. Dies würde die Auswahl von Lebensmitteln erleichtern und visuelle Informationen über die Ernährungsqualität von Produkten liefern (FRC, 2021).
Der Nutri-Score ist die bekannteste Kennzeichnung, die auf Arbeiten der französischen «Santé publique» (Übers. öffentliche Gesundheit) beruht. Der Score wird aus einer «negativen» und einer «positiven» Note berechnet, die mit den Nährstoffen in Verbindung stehen und die nach Ansicht der «Santé publique» eingeschränkt oder geför-dert werden sollten (Santé publique France, 2021). Diese Punktzahl ermöglicht es, die Zusammensetzung von Produkten einer bestimmten Kategorie zu vergleichen. Er ist für verarbeitete Produkte vorgesehen, für die nach dem Lebensmittelrecht eine Nährwertdeklaration vorgeschrieben ist. Produkte, die lediglich geschnitten, gemahlen, gefroren oder gereift wurden, erfordern keine Nährwertdeklaration (Konsumentenschutz 2021).
Während die französischen Hersteller den Nutri-Score seit 2017 auf zahlreichen Produkten ausweisen, ist dieses Kennzeichnungssystem in der Schweiz weniger präsent. Dieses dürfte sich in Kürze aber weiterentwickeln. Die Behörden von sieben Ländern, darunter auch die Schweiz, haben die Einführung des Nutri-Scores bereits in die Wege geleitet (BAG, 2021). In der Schweiz ist das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) der zuständige Regulator. Der Nutri-Score wird vom Hersteller des Produkts erstellt, der ihn zur Registrierung an das BLV weiterleitet (FRC, 2020). Bisher haben sich 53 Unternehmen verpflichtet, den Nutri-Score auf den Produkten von 128 Marken einzuführen (BAG, 2021). Darüber hinaus hat sich Migros dazu verpflichtet, das Logo bis 2025 auf seinen Eigenmarken anzubringen (FRC, 2021), was die Einführung weiter beschleunigen dürfte.
Das britische Ampelsystem wird ebenfalls angewandt, um über die Zusammensetzung der Produkte zu informieren. Es wird auf einer sehr kleinen Anzahl in der Schweiz erhältlichen Produkte verwendet, darunter beispielsweise Coca Cola. Dabei wird auf der Vorderseite der Verpackungen ein roter, oranger oder grüner Farbcode platziert. Dieser ordnet den Gehalt einer Nährstoffgruppe pro 100 g oder anders definierten Portion ein (Allianz der Konsumentenschutz-Organisationen, 2018).

Wissenschaftliche Untersuchungen stellen einen Zusammenhang zwischen dem Risiko des Auftretens nicht übertragbarer Krankheiten und dem Verarbeitungsgrad der Lebensmittel her (Canella et al., 2014; Monteiro et al., 2017). Die NOVA-Klassifizierung berücksichtigt diesen Faktor in ihren Bewertungen, indem sie Produkte nach ihrem Verarbeitungsgrad einstuft (Fardet, 2018).
Das französische Unternehmen Yuka hat eine App zur Bewertung von Lebensmitteln auf den Markt gebracht. Sein Score basiert auf dem Nutri-Score und integriert Zusatzstoffe und Bio-Labels.
Es ist wichtig daran zu erinnern, dass diese Kennzeichnungen als Entscheidungshilfen für Konsumentinnen und Konsumenten entwickelt wurden, indem sie verarbeitete Lebensmittel derselben Kategorie miteinander vergleichen. Sie ersetzen nicht die Empfehlungen der Lebensmittelpyramide, die die Grundlage für eine ausgewogene Ernährung bilden.

Umweltkennzeichen
Tabelle 1. Vergleich der verschiedenen Kriterien, die bei den Nährwertkennzeichnungen berücksichtigt werden

Die Hauptkritikpunkte an Nährwertkennzeichnungen

Durch die realisierte Literaturrecherche und die Befragungen wurden mehrere Elemente angesprochen, die problematisch sind oder bei diesen Kennzeichnungen nicht berücksichtigt werden. Gleichzeitig sind die Meinungen zu diesen Punkten gespalten (Tabelle 2).

Für die verschiedenen befragten Organisationen ist eine visuelle Hilfe für die Konsumierenden von Vorteil, um das Verständnis für die Ernährung zu verbessern. Der Nutri-Score bietet eine Hilfe beim Einkauf, indem er Lebensmittel der gleichen Kategorie miteinander vergleicht. Für eine ausgewogene Ernährung gelten die Ernährungsempfehlungen der Lebensmittelpyramide. Die NOVA-Klassifizierung wurde hingegen entwickelt, um Behörden bei der Erstellung von Ernährungsempfehlungen zu unterstützen und war ursprünglich nicht für Konsumierende gedacht. Sie gibt allerdings interessante Informationen. Daher scheint die gemeinsame Verwendung des Nutri-Scores und der NOVA-Klassifizierung bislang eine gute Alternative für die Konsumentinnen und Konsumenten zu sein.

Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Kritikpunkte an der Berechnung dieser Nährwertkennzeichnungen. Die verschiedenen Standpunkte werden einander gegenüber gestellt.