Portraits
- Beitragsautor Von Florian Peyer (AGRIDEA), Orlando Scholz (AGRIDEA), Magali Lacam (AGRIDEA), Till Graf (ETH)
- Beitragsdatum 14.07.2025 (aktualisiert am 29.09.2025)
Inhaltsverzeichnis
Quartierhof Wynegg

Gründung: 1997
Rechtsform: Verein
Mitglieder:
- 600 Mitgliedschaften (Einzelpersonen und Familien)
- Ca. 1.000 Personen insgesamt
- Davon 100–200 regelmässig aktiv auf dem Hof
- Der Rest sind unterstützende Passivmitglieder
Fläche: 5.5 ha
Betriebszweige:
- Obstbau inkl. Verarbeitung
- Gemüsebau
- Tierhaltung (Wollschweine, Kaninchen, Schafe, Pferde, Ponys, Hühner)
- Naturschutzprojekte
- Soziales Engagement (Mittagstisch, Sonntagsgrill, Quartierfeste)
Kontakt: quartierhof-wynegg.ch
Entstehung und Organisation
Der Verein «Quartierhof Wynegg» wurde im Frühling 1997 gegründet, als sich die Möglichkeit abzeichnete, den Betrieb des Hofes zu übernehmen. Die Initiative ging von engagierten Personen aus, die bereits in anderen lokalen Organisationen wie Naturschutz- oder Quartiervereinen aktiv waren. Ziel war es, den Bauernhof inklusive der 4.7 ha Land zu erhalten und ökologisch und sozial nachhaltig zu bewirtschaften und als Lebensraum und Begegnungszone für Mensch und Tier zu erhalten. Da der vorherige Pächter des Betriebs pensioniert wurde, bestand die Sorge, dass der Kanton Zürich, welcher den Betrieb besessen hat, diesen auflösen und die Parzelle überbauen könnte. Dies konnte erfolgreich verhindert werden, indem der Trägerverein die Hofgebäude gemietet hat und das Land bewirtschaftete. Im Jahr 2016 hat die Stadt Zürich die Hofgebäude und – Parzelle dem Kanton abgekauft, vermietet es aber weiterhin an den Verein. Neben den aktiven Vereinsmitgliedern ist ein Hofmitarbeiter für die Bewirtschaftung des Betriebs zuständig, dieser ist in einem 70-Prozent Pensum beim Verein angestellt.
Rechtsform
Da der Betrieb weder auf Direktzahlungen angewiesen war noch ein Kauf des Hofes geplant war, erwies sich die Rechtsform des Vereins als passende rechtliche Struktur. Sie bot vielen Interessierten die Möglichkeit zur Mitwirkung und entsprach den Erfahrungen der Initiator:innen, die mit Vereinsarbeit vertraut waren. Von Anfang an bestand weitgehende Einigkeit darüber, dass ein Verein die geeignete Form für das Projekt sei, u.a. da der Ein- und Austritt von Mitgliedern sehr einfach vonstattengehen kann.
Da der Betrieb nicht im Besitz von Einzelpersonen, sondern Eigentum des Vereins ist, entfällt die klassische Hofübergabe. Stattdessen können interessierte Personen unkompliziert aktiv werden, indem sie dem Verein beitreten. Diese Struktur eröffnet besonders für junge Stadtbewohner:innen spannende Möglichkeiten, sich im Bereich Tierhaltung, Gemüse- oder Obstanbau sowie Verarbeitung einzubringen und praktische Erfahrungen zu sammeln.
Ein- und Austritt
Der Ein- und Austritt aus dem Verein ist in den Statuten klar geregelt. Die Mitgliedschaft im Trägerverein «Quartierhof Wynegg» steht sowohl Einzelpersonen als auch Organisationen offen, sofern sie die Ziele des Vereins unterstützen. Der Beitritt ist jederzeit möglich, dafür muss lediglich ein Aufnahmegesuch über die Webseite des Vereins an den Vorstand gerichtet werden, der über die Aufnahme entscheidet. Man kann eine Mitgliedschaft als Einzelperson oder als Familie lösen. Jährlich ist ein Mitgliederbeitrag zu entrichten.
Die Mitgliedschaft erlischt durch Austritt, Ausschluss, Tod oder, bei juristischen Personen, durch deren Auflösung. Ein Austritt ist jederzeit möglich, jedoch werden bereits bezahlte Mitgliederbeiträge nicht zurückerstattet.
Auflösung
In den Statuten des Vereins sind klare Regelungen zur Auflösung festgehalten. So ist für eine Auflösung eine Zweidrittelmehrheit der Mitgliederversammlung erforderlich. Da der Hof nicht im Eigentum des Vereins steht, stellt sich in einem solchen Fall nicht die Frage nach der weiteren Nutzung des Betriebs. Sollte nach Begleichung aller Verbindlichkeiten Vermögen verbleiben, darf dieses nicht an die Mitglieder ausgeschüttet werden. Stattdessen ist vorgesehen, dass es einer steuerbefreiten Organisation mit ähnlicher Zielsetzung und Sitz in der Stadt Zürich übertragen wird.
Entscheidungsfindung
Die Mitgliederversammlung bildet das oberste Gremium des Vereins und findet einmal jährlich statt. Dabei werden grundlegende strategische Fragen diskutiert und unter anderem über das Budget abgestimmt. Entscheidungen werden mit einfachem Mehr getroffen, wobei jede Mitgliedschaft eine Stimme besitzt.
Ein grosser Teil der Hofarbeit erfolgt über die thematischen Arbeitsgruppen, in denen aktive Mitglieder den laufenden Betrieb des Hofes mitgestalten. Diese Gruppen tragen wesentlich zur Organisation bei und bringen ihre Anliegen in den Vorstand ein, der sich in der Regel monatlich trifft. Der Vorstand prüft eingebrachte Anträge und entscheidet über deren Umsetzung. Trotz der basisdemokratischen Ausrichtung des Vereins nimmt der Vorstand dabei eine zentrale Rolle in strategischen Belangen ein.
Im Alltag werden viele operative Aufgaben direkt und pragmatisch geregelt. Wer eine Idee umsetzen möchte, kann sich an den Hofmitarbeiter wenden, der Anleitungen gibt und nach Lösungen sucht.

© Quartierhof Wynegg

© Quartierhof Wynegg

© Quartierhof Wynegg

© Quartierhof Wynegg

© Quartierhof Wynegg

© Quartierhof Wynegg
Bruderholzhof

Gründung: Pacht seit April 2025
Rechtsform: GmbH
Mitglieder:
- 5 Betriebsleitende/Gesellschafter/-innen
- 2 Teilzeitangestellte
Fläche: 32 ha
Betriebszweige:
- Tierhaltung: 25 Milchkühe, 15 Hühner, 5-25 Schweine, 30 Weidegänse, 2 Pferde, 4 Bienenvölker
- Ackerbau: verschiedene Getreidesorten, Kartoffeln, Ackerbohnen, Mais, Soja, Sonnenblumen, Gründüngungen
- Gemüsebau
- Verarbeitung: Mehl, Milchprodukte
- Direktvermarktung
Kontakt: bruderholzhof.ch
Entstehung und Organisation
Der Bruderholzhof ist ein biologisch (in Umstellung auf Bio- Dynamisch) bewirtschafteter Landwirtschaftsbetrieb am Stadtrand von Basel. Seit April 2025 wird der Hof von der Geschäftsleitung der Bruderholzhof GmbH geführt, bestehend aus fünf jungen Leuten: Laura Ineichen, Manuel Kaufmann, Sämy Zehnder, Isidor Steinemann und Flora Wittkopf. Unterstützt wird das Kollektiv von mehreren Teilzeitangestellten und Zivildienstleistenden.
Die Entstehung der aktuellen Organisationsform ist eng mit der Geschichte des Hofes und dem Generationenwechsel innerhalb der Familie Ineichen verbunden. Der Hof war jahrzehntelang von Lauras Eltern geführt worden. 2013 konnte die Familie den zuvor gepachteten Hof kaufen. Da die Eltern 2025 ins Pensionsalter traten, stand ein Generationswechsel an.
Die gelernte Landwirtin Laura und ihr Partner Manuel, ebenfalls ausgebildeter Landwirt, haben nach der Lehre bereits einige Zeit auf dem Hof von Lauras Eltern mitgearbeitet und daneben ein eigenes Projekt mit Gemüseanbau auf dem Hof und innerhalb der bestehenden Direktvermarktung aufgebaut. Isidor und Sämy waren ebenfalls bei Lauras Eltern angestellt und als die Hofübergabe näher rückte, zeichnete sich ab, dass die Gruppe den Betrieb gerne zusammen weiterführen möchte, um die diversen Betriebszweige zu erhalten und auszubauen. Da die Gruppe sich auf derselben Wellenlänge befindet und gemeinsame Vorstellungen von Landwirtschaft teilt, erschien eine gemeinsame Bewirtschaftung des Betriebs sinnvoll. Isidors Partnerin Flora komplettiert das fünfköpfige Kollektiv, welches sich dazu entschloss, eine GmbH zu gründen, womit die allgemeine und finanzielle Verantwortung sowie die Arbeitslast breit abgestützt ist und nicht allein bei Laura und Manuel liegt, sondern gleichmässig auf die fünf Kollektivmitglieder aufgeteilt werden kann. Da der Betrieb sehr divers aufgestellt ist, hat jedes Mitglied einen Bereich, für den es zuständig ist, auch wenn man sich natürlich gegenseitig bei gewissen Arbeiten unterstützt. Beispielsweise sind drei Personen für das Melken zuständig und wechseln sich dabei ab.
Man sei überzeugt davon, dass kollektive Strukturen vielfältige Betriebe fördern und dass die Landwirtschaft insgesamt sehr davon profitieren könne, wenn mehrere Köpfe in einen Prozess involviert seien, erklärt Isidor. In anderen Branchen sei es schliesslich gang und gäbe, dass mehrere Personen in der Geschäftsleitung oder im Verwaltungsrat die Geschicke eines Unternehmens führten.
Um für mehr Flexibilität zu sorgen und das Projekt sozusagen zu testen, wurde vorerst ein Pachtvertrag zwischen Lauras Eltern und der GmbH abgeschlossen. Nach neun Jahren läuft die Pacht aus und dann soll die Lage neu beurteilt werden. Ob dann die GmbH den Hof erwirbt, weiterhin pachtet oder ob Lauras jüngerer Bruder eventuell noch Interesse am elterlichen Betrieb bekunden wird, ist Zukunftsmusik. Vorerst möchte die Gruppe einfach «Bauern» und viele organisatorische und finanzielle Aspekte werden sich im Laufe der Zeit ergeben. So entstand das heutige Betriebskollektiv, das den Hof seit 2025 eigenverantwortlich führt. Die Zusammenarbeit basiert auf geteilten Werten, gemeinsamer Entscheidungsfindung und dem Ziel, einen vielfältigen, sozial eingebetteten und nachhaltig wirtschaftenden Hof weiterzuentwickeln. Seit der Übergabe befindet sich der Betrieb zudem in der Umstellung auf biodynamische Landwirtschaft.
Rechtsform
Um nicht auf Direktzahlungen verzichten zu müssen, entschied sich das Kollektiv gegen die Rechtsformen Verein oder Genossenschaft. Abgesehen davon wäre es ausserdem fraglich, ob die kantonalen Behörden einem Pachtvertrag mit einer Genossenschaft oder einem Verein überhaupt zustimmen würden. Damit blieben als Optionen eine Personengesellschaft (einfache bzw. Kollektivgesellschaft), die GmbH oder die AG.
Die Gruppe entschied sich für die Rechtsform GmbH, da dies den Charakter eines bäuerlichen KMU am besten widerspiegeln würde. Durch das OR seien relativ viele Aspekte gesetzlich geregelt, im Unterschied zur Personengesellschaft. Und eine AG sei weniger fassbar, wie Isidor erklärt. Allerdings ergänzt er, dass es wohl keine grosse Rolle gespielt hätte, ob es nun eine AG oder eine GmbH sei. Das Konstrukt der GmbH habe sich für die Gruppe jedenfalls stimmig angefühlt und so habe man sich dafür entschieden. Diese Rechtsform entspricht der Idee eines langfristig tragfähigen, kollektiv geführten Betriebs, bei welchem die Möglichkeit besteht, dass einzelne Personen aussteigen oder weitere Personen in die Betriebsleitung aufgenommen werden können. Da das Pächtervermögen der GmbH gehört, erfordert eine personelle Veränderung keine Änderung im Pachtvertrag, da dieser zwischen Lauras Eltern und der GmbH besteht. Gleichzeitig erlaubt die GmbH eine faire Verteilung von Verantwortung, Haftung und Entscheidungsbefugnissen unter den Kollektivmitgliedern. Da eine landwirtschaftliche GmbH zu 75 Prozent in den Händen von direktzahlungsberechtigten Personen sein muss, um Direktzahlungen erhalten zu können, halten die gelernten Landwirte Manuel und Isidor, sowie Landwirtin Laura je 25 Prozent der Stammanteile der GmbH. Sämy und Flora, welche zurzeit noch nicht direktzahlungsberechtigt sind, halten je 12.5 Prozent. Das Stammkapital der GmbH beträgt CHF 100’000, aufgeteilt in 40 Anteile zu CHF 2’500.
Ein- und Austritt
In den Statuten der GmbH gibt es keine spezifischen Bestimmungen zum Ein- oder Ausstieg von Mitgliedern der Bewirtschaftungsgruppe. Einzig ein Artikel weist diesbezüglich darauf hin, dass jede interne Verschiebung von Stammanteilen, sowie die die Aufnahme und der Austritt von Gesellschafter:innen dem für Direktzahlungen zuständigen kantonalen Amt zu melden sind.
Die Gruppe ist sich einig, dass man die neunjährige Pachtzeit gemeinsam erfüllen möchte, was danach geschieht, werde sich dann zeigen. Grundsätzlich basiert das Verhältnis unter den Kollektivmitgliedern auf Vertrauen und gemeinsamen Wertvorstellungen, weswegen man statutarisch relativ wenig festgehalten hat und auf die Bestimmungen im OR setzt. In den Statuten gibt es zu Ein- und Ausstieg keine Bestimmungen, wonach die Regelungen des OR (Art. 785-790 und Art. 822-825) gelten. Da das Vermögen der GmbH aus dem Pächtervermögen (lebendiges und totes Inventar) besteht, die Gebäude und das Land jedoch weiterhin Lauras Eltern gehören, besteht aus finanzieller Sicht keine allzu grosse Hürde für den Handel der Stammanteile, falls Personen ein- oder aussteigen möchten. Um die Hürde für den Ein- und Ausstieg weiterhin möglichst gering zu halten, was ein erklärtes Ziel der Gruppe darstellt, möchte das Kollektiv auch zukünftig viel Fremdkapital in die GmbH fliessen lassen, was ein massives Ansteigen des Werts der Stammanteile verhindern soll. Dazu würde es kommen, wenn die GmbH mehr Eigenkapital aufbauen würde, z.B. durch Rückzahlung von Darlehen, wodurch wiederum der Handel der Stammanteile teurer würde und die finanzielle Hürde für einen Einstieg neuer Mitglieder grösser.
Auflösung
Bezüglich der Auflösung der GmbH sind keine spezifischen Regelungen in den Statuten festgehalten, wonach die Bestimmungen des OR (Art. 821 bzgl. Auflösung und 826 bzgl. Liquidation) gelten.
Entscheidungsfindung
Grundsätzliche strategische Fragen werden von der fünfköpfigen Betriebsleitungsgruppe nach dem Konsentprinzip entschieden, wobei alle gleichberechtigt in die Entscheidungsfindung eingebunden sind (siehe Entscheidungsfindung). Dieses Verfahren erlaubt es, tragfähige Lösungen zu finden, ohne dass Einzelne überstimmt werden müssen.
Die verschiedenen Betriebszweige sind den Kollektivmitgliedern zugeteilt, welche die Hauptverantwortung dafür tragen. Manuel trägt die Verantwortung für den Gemüsebau, Laura für die Milchviehhaltung, Isidor für den Ackerbau, Flora für die Verarbeitung der Milch und Sämy für die Verarbeitung des Getreides und die Arbeiten und Ordnung in der Werkstatt. Innerhalb dieser Bereiche handeln die zuständigen Personen weitgehend eigenständig, insbesondere bei kurzfristigen operativen Entscheidungen und alltäglichen Arbeitsfragen. Strategisch bedeutsame Themen hingegen werden gemeinsam im Kollektiv besprochen.
Einmal pro Woche findet eine Betriebsleitungs-Sitzung statt, in der eine Wochenplanung stattfindet, externe Anfragen und die Koordination der zahlreichen freiwilligen Helfenden sowie Teilzeitangestellten besprochen werden. Diese wöchentliche Abstimmung bildet das Rückgrat der kollektiven Zusammenarbeit und ermöglicht schnelle, pragmatische Lösungen im Alltag. Eigentlich ist angedacht, dass bei solchen Sitzungen auch konzeptuelle und strategische Themen besprochen werden. Bis anhin hat die Zeit jedoch häufig nicht gereicht, da das operative Geschäft den Grossteil der Besprechungszeit in Anspruch nahm.
Trotz klarer Zuständigkeiten ist die Hofarbeit stark von gegenseitiger Unterstützung geprägt: Arbeitsbereiche wie das Melken oder Wochenenddienste werden gemeinsam organisiert und rotierend wahrgenommen. Auf diese Weise bleibt der Betrieb flexibel, belastbar und gemeinschaftlich getragen.

© Bruderholzhof

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Bilder in Portrait: Quartierhof Wynegg; Bruderholzhof
Fachliche Mitarbeit:
- Till Graf