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Tierhaltung

Nutzungsdauer Schweizer Milchkühe

Die Nutzungsdauer von Milchkühen ist eine wichtige betriebsökonomische Stellschraube. Sie ist sowohl für das Tierwohl als auch für die Ressourceneffizienz und den Klimaschutz relevant. Die gesamtbetriebliche, durchschnittliche Nutzungsdauer Schweizer Milchkühe schwankt auf den meisten Milchviehbetrieben zwischen 3 und 5 Laktationen.

Inhaltsverzeichnis

Viele Fragen zur Nutzungsdauer sind noch ungeklärt

Wie sind Exterieur- und Leistungsmerkmale mit der Nutzungsdauer verknüpft? Deutet eine lange Nutzungsdauer auf gesunde, fruchtbare und unkomplizierte Tiere hin oder ist sie nur durch häufigen Tierarzt- und Medikamenteneinsatz erreichbar?
Welchen Einfluss haben Haltung, Fütterung und Tiergesundheitsmanagement? Nach welchen Kriterien werden Kühe ausgewählt, die in die Schlachtung gehen? Welche Rolle spielt das betriebliche Zuchtziel und der angestrebte Zuchtfortschritt? Und, schlussendlich, gibt es aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet eine minimale, maximale oder optimale Nutzungsdauer?

Unser Forschungsprojekt widmet sich den offenen Fragen

Im April 2020 haben FiBL, HAFL und AGRIDEA mit zahlreichen Partnern ein auf fünf Jahre angelegtes Forschungs- und Dialogprojekt gestartet, welches Einflussfaktoren auf die Nutzungsdauer Schweizer Milchkühe erforscht. Finanziert wird das Projekt hauptsächlich vom Bundesamt für Landwirtschaft und ergänzend von der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Rinderzüchter, Bio Suisse, IP Suisse, Migros, der Vereinigung Schweizer Milchproduzenten, ProfiLait und der Stiftung Fondation sur-la-croix. Fachlich sind zudem Agroscope, das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, der Kälbergesundheitsdienst sowie Rindergesundheit Schweiz, die Schweizerische Vereinigung für Wiederkäuergesundheit, der Schweizer Tierschutz und das Veterinary Public Health Institute involviert. Dieses, von Politik, Branchen- und ProduzentenvertreterInnen breit mitgetragene Projekt, soll gemeinsam mit Landwirtinnen und Landwirten konkrete Strategien zur Optimierung der Nutzungsdauer entwickeln. Das Projekt ist dazu in 6 Module unterteilt.

Im ersten Projektmodul werden Einflussfaktoren auf die Nutzungsdauer von Milchkühen anhand von Herdbuch- und Milchleistungsdaten der letzten 30 Jahre analysiert. Die Daten stammen von den Schweizer Milchviehzuchtverbänden Braunvieh Schweiz, swissherdbook und Holstein Switzerland.

Insgesamt wurden Herdebuchdaten von 2.6 Mio. Kühen aus dem Zeitraum 1999 – 2019 ausgewertet. Folgende Erkenntnisse konnten aus den Auswertungen gewonnen werden:

  • Im Mittel lag die Nutzungsdauer im Jahr, über alle untersuchten Rassen, zwischen 3.0 und 3.8 Laktationen und damit unter dem biologisch angelegten Milchleistungssteigerungspotenzial (Anstieg der Milchleistung bis zur 5. Laktation).
  • Eine gute Eutergesundheit (Auswertung von Zellzahlen) und Fruchtbarkeit (Auswertung der Zwischenkalbezeit) sind wesentlich für eine lange Nutzungsdauer.
  • Langlebige Kühe haben oft eine niedrigere Einstiegsleistung, zeichnen sich aber durch eine hohe Lebtagesleistung aus.

In einem zweiten Schritt werden betriebliche Einflussfaktoren auf die Nutzungsdauer von Milchkühen auf repräsentativen Betrieben analysiert. Auf Basis von Herdbuchdaten werden aus 16’000 Betrieben 150 repräsentative Betriebe identifiziert und befragt. 30 dieser Betriebe (sogenannte Fokusbetriebe) werden zusätzlich vor Ort besucht.

Die zentrale Fragestellung dieses Moduls war, inwiefern sich Betriebe mit einer besonders langen (durchschnittlich 5.3 Laktationen) von Betrieben mit einer kurzen Nutzungsdauer (durchschnittlich 3.1 Laktationen) unterscheiden. Der Betriebsvergleich zeigte, dass Betriebe mit langer Nutzungsdauer:

  • häufiger Laufstallsysteme anstatt Anbindeställe besitzen;
  • geräumigere Liegeboxen mit Kalk-Stroh- bzw. Stroh-Mist-Matratze nutzen;
  • ganzjährig weniger proteinbetont füttern, was mit einer geringeren Stoffwechselbelastung der Leber durch Ammoniak assoziiert ist;
  • besonders bei den Rindern, aber durchaus auch bei den Kühen, auf Mastgenetik setzen, um so den Remontierungsdruck durch zu viel weibliche Nachzucht zu senken.

In diesem Modul steht die Sicht der Milchproduzenten und der Branche auf die Nutzungsdauer von Milchkühen im Mittelpunkt. Hierzu werden mehrere Interviews, sowie zwei Workshops, mit ExpertInnen, BranchenvertreterInnen und LandwirtInnen durchgeführt.

Erste Erkenntnisse zeigen, dass:

  • alle Akteure auf Systemebene eine Verlängerung der Nutzungsdauer als erstrebenswert erachten;
  • die Veränderungsmöglichkeiten jedoch eine Herausforderung darstellen;
  • eine Mischung von interagierenden freiwilligen und regulativen Massnahmen am zielführendsten er-scheinen.

Auf Basis der Daten der Module 1-3 werden die Auswirkungen einer erhöhten Nutzungsdauer von Milchkühen auf die Milch- und Rindfleischproduktion prognostiziert. Es findet zudem eine Analyse der Konsequenzen für den Milch- und Fleischmarkt statt.

Ergebnisse aus diesem Modul sind noch nicht verfügbar. Erste Ergebnisse werden bei den Workshops im Februar kommuniziert. Die Teilnahme ist kostenlos (Anmeldung hier).

In Ergänzung zu Modul 4, werden die Auswirkungen einer erhöhten Nutzungsdauer von Milchkühen auf die Ressourceneffizienz und die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit der Schweizer Milch- und Rindfleischproduktion modelliert.

Ergebnisse aus diesem Modul sind noch nicht verfügbar. Erste Ergebnisse werden bei den Workshops im Februar kommuniziert. Die Teilnahme ist kostenlos (Anmeldung hier).

In einem intensiven Austausch zwischen ForscherInnen, ExpertInnen, Branchen- und BehördenvertreterInnen, und LandwirtInnen werden praxisrelevante nachhaltige Strategien zur Verbesserung der Nutzungsdauer entwickelt und mehrfach nachjustiert. Dazu finden in drei Jahren (2021, 2022 und 2024) jeweils an 4 Orten (Grangeneuve, Landquart, Lindau und Zollikofen) eintägige Workshops statt, an denen Ergebnisse vorgestellt und diskutiert werden. Im jeweils ersten Quartal 2022 und 2023 werden darüber hinaus Arbeitskreise zum Thema Nutzungsdauer für LandwirtInnen in den 15 Regionen organisiert und durchgeführt, um die an den Workshops entwickelten Strategien vertieft zu diskutieren und auf Praxistauglichkeit zu prüfen. Im Rahmen einer Abschlusstagung wird die Strategie Ende 2024 finalisiert (Modul 7).

Im Rahmen des Projektes fand bisher bereits ein reger, aktiver Austausch sowohl mit LandwirtInnen als auch VertreterInnen verschiedenster Organisationen statt:

  • In den Jahren 2021 und 2022 wurden jeweils 4 Workshops durchgeführt, um über das Projekt und die Erkenntnisse zu informieren.
  • Zudem wurde an zwei Abenden ein zusätzlicher Online-Kurs durchgeführt.
  • In 2022 starteten sieben Arbeitskreise mit über 30 teilnehmenden Betrieben, die in 2023 fortgeführt wurden.
  • Im Spätsommer 2023 wurde eine Online-Umfrage durchgeführt, um weitere Stimmen aus der Praxis zu sammeln und das bisherige Wissen weiter zu untermauern, um schlussendlich praxistaugliche Strategien zur Verlängerung der Nutzungsdauer entwickeln zu können.
  • Im Februar 2024 findet die dritte Workshop-Runde mit dem Fokus auf Betriebsökonomie und –ökologie statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Sie können sich hier anmelden.

Der Austausch mit den LandwirtInnen in den Arbeitskreisen verdeutlichte, dass:

  • Fruchtbarkeits- und Eutergesundheitsprobleme die zwei häufigsten Abgangsursachen auf Schweizer Milchviehbetrieben ausmachen, was mit den Erkenntnissen aus Modul 1 übereinstimmt;
  • leistungsschwache Tiere, aber auch ein unruhiges Temperament, der Aspekt, ob ein Tier zur Betriebsstrategie passt sowie der Schlachtviehpreis und die Anzahl an Remonten weitere Abgangsursachen darstellen;
  • funktionale, ruhige und problemlose Tiere, die ins Betriebskonzept passen bevorzugt werden.

Im Sommer 2023 fand eine Online-Umfrage statt. 65 % der Teilnehmenden waren Landwirtinnen und Landwirte und 35 % Personen aus der Milchwirtschaft, einschliesslich praktizierender Landwirtinnen und Landwirte. Folgend sind einige der Ergebnisse:

  • Die Teilnehmenden betrachten eine optimale Nutzungsdauer von durchschnittlich über sechs Laktationen als erstrebenswert.
  • Die Nutzungsdauer hat eine bedeutende Rolle sowohl auf dem Betrieb als auch für die Wirtschaftlichkeit des Betriebes (im Mittel 7,8 bzw. 7,7 von 10 Punkten) und wird als ähnlich wichtig für die Nachhaltigkeit der Schweizer Landwirtschaft (im Mittel 7 von 10 Punkten) eingestuft.
  • Die Teilnehmenden assoziieren mit einer langen Nutzungsdauer ein gutes Herden- (81 %) und Betriebsmanagement (73 %) sowie betriebsökonomische Vorteile (63 %). Eine Reduktion des ökologischen Fussabdrucks verbindet nur ca. ein Fünftel der Teilnehmenden mit einer langen Nutzungsdauer, obwohl mit einer verlängerten Nutzungsdauer die Emissionen und Ressourcenverbrauch aus der Aufzucht auf einen längeren produktiven Zeitraum verteilt werden können. Eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit der Tiere bei verlängerter Nutzungsdauer beschäftigt rund 14 % der Teilnehmenden.
  • Die Umfrage-Ergebnisse bekräftigen vorher gewonnene Erkenntnisse zu den Gründen für den Abgang von Milchkühen auf Schweizer Betrieben. Insbesondere mangelnde Eutergesundheit, Fruchtbarkeit und Probleme am Bewegungsapparat werden als Hauptursachen identifiziert. Diese stellen somit bedeutende Ansatzpunkte dar, um die Nutzungsdauer zu verlängern. Nicht zuletzt beeinflusst auch die Nachfrage nach Schlachtkühen und somit die Schlachtviehpreise die Nutzungsdauer.

Save the Date: Workshop Runde 2
Nutzungsdauer Infoflyer
Infoflyer: Projekt Nutzungsdauer
Aktivitäten

Workshop „Leistungssteigerung durch optimale Nutzungsdauer“ – Plantahof, Landquart, GR: 06.02.2024
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Workshop “Amélioration des performances grâce à une durée d’utilisation optimale” – Institut Agricole Grangeneuve, Posieux, FR: 08.02.2024
S’inscrire ici

Workshop „Leistungssteigerung durch optimale Nutzungsdauer“ – Inforama Rütti, Zollikofen, BE: 14.02.2024
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Workshop „Leistungssteigerung durch optimale Nutzungsdauer“ – Strickhof, Lindau, ZH: 21.02.2024
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Kontakt

Bei Fragen oder Anregungen wenden Sie sich bitte an:

Michael Walkenhorst (D)
Tel. 062 865 72 86 / mobil 079 277 16 08
michael.walkenhorst@fibl.org

Rennie Eppenstein (D, F)
Tel. 062 865 63 66
rennie.eppenstein@fibl.org

Pascal Python (D, F)
Tel. 021 619 44 01
pascal.python@agridea.ch

Maike Heuel (D)
Tel. 052 354 97 38
maike.heuel@agridea.ch

Markus Rombach (D)
Tel. 052 354 97 52
markus.rombach@agridea.ch