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Hofübergabe Betriebsführung

Betriebsübergabe an Kollektive

Für die Betriebsübergabe an Kollektive soll an dieser Stelle eine Übersicht zu den wichtigsten Punkten präsentiert werden. Dies ist allerdings nur eine grobe Zusammenfassung, in konkreten Fällen sollte zusätzlich eine Beratungsstelle kontaktiert werden.

Inhaltsverzeichnis

Das gilt es zu beachten

Bei der Betriebsübergabe an ein Kollektiv von mehreren Personen gilt es verschiedene Punkte zu beachten. Da sich die Ausgangslagen oftmals unterscheiden, sollte in jedem Fall eine Beratungsperson zugezogen werden. Wie bei jeder Betriebsübergabe spielen zwischenmenschliche Aspekte und eine gute Kommunikation zwischen abgebender und übernehmender Partei eine entscheidende Rolle. Es gibt dazu vielfältige Hilfestellungen und unterstützende Angebote:

Wahl der Rechtsform

Ein landwirtschaftliches Gewerbe ist ein wirtschaftliches Unternehmen und benötigt daher eine geeignete Rechtsform. Etwa neun von zehn Schweizer Bauernhöfen werden als Einzelunternehmen geführt, mit einer natürlichen Person als Betriebsleiter/-in. Grundsätzlich kann ein Landwirtschaftsbetrieb aber auch im Besitz mehrerer natürlicher Personen (Mit- oder Gesamteigentum) oder einer juristischen Person (AG, GmbH) sein. Weitere Körperschaften wie Vereine oder Genossenschaften besitzen nur in Ausnahmefällen Höfe, da das Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) den Erwerb von Höfen diesen grundsätzlich verbietet. Wenn mehrere Personen gemeinschaftlich und gleichberechtigt einen Betrieb führen möchten, bieten sich mehrere Möglichkeiten an. Die Wahl der Rechtsform hängt unter anderem davon ab, wie gross ein Kollektiv ist, ob regelmässige Mitgliederwechsel stattfinden könnten, welche Ziele oder Visionen einem Projekt zugrunde liegen, ob ein Betrieb gekauft oder gepachtet werden soll und ob man Direktzahlungen erhalten möchte oder nicht.

Einzelunternehmen

Wenn Kollektive diese Rechtsform wählen, müssen sie sich bewusst sein, dass der Betrieb einer einzelnen Person gehört, welche die Entscheidungshoheit hat und für die finanziellen Verpflichtungen haftet sowie über die Einnahmen verfügt. Eine wirklich gleichberechtigte Betriebsleitung durch mehrere Personen ist deswegen beim Einzelunternehmen nicht möglich. Wenn ein Kollektivmitglied bereits einen Hof besitzt und weitere Personen in die Bewirtschaftung einbinden will, dann kann es eine Möglichkeit sein, den Betrieb weiterhin als Einzelunternehmen zu führen und die weiteren Personen erstmal anzustellen. Längerfristig können dann Optionen geprüft werden, um die weiteren Personen effektiv am Betrieb teilhaben zu lassen. Das ist jedoch mit erheblichem Aufwand verbunden. Den Landwirtschaftsbetrieb als Einzelunternehmen zu führen ist die Variante, welche den geringsten administrativen Aufwand verursacht und tendenziell am wenigsten Widerstände hervorruft. Daher bietet es sich in manchen Fällen an, den Betrieb vorläufig in dieser Rechtsform zu übernehmen, bzw. zu belassen, um die Zusammenarbeit im Kollektiv und das Gelingen des Projekts zu überprüfen und zu testen.

AG/GmbH

Für eine gleichberechtigte Bewirtschaftung des Betriebs durch ein Kollektiv kann eine AG (Art. 620-763, OR)  oder GmbH (Art. 772-827, OR) gegründet werden, welche den Betrieb besitzt oder pachtet. Die Kollektivmitglieder halten Anteile der juristischen Person und sind als Verwaltungsräte oder Geschäftsführerinnen für die Betriebsleitung zuständig. Der grosse Vorteil bei dieser Variante ist, dass der Ein- und Ausstieg von Kollektivmitgliedern relativ einfach erfolgen kann. Bei einem Wechsel im Bewirtschaftungsteam müssen lediglich Aktien bzw. Stammanteile der juristischen Person gehandelt werden. Obwohl auch dieses Rechtsgeschäft von den Behörden bewilligt werden muss, entfällt ein Grossteil des Aufwands und der Kosten, die bei einer Hofübergabe im klassischen Sinn anfallen, da sich der Hof im Eigentum der juristischen Person befindet. Der Ein- und Ausstieg von Kollektivmitgliedern führt daher beispielsweise nicht zu einer Änderung im Grundbuch. Die Gründung einer AG oder GmbH ist jedoch mit Aufwand verbunden und die Hofübergabe an eine juristische Person sollte in jedem Fall mit einer Treuhandfachkraft geplant werden. Ausserdem müssen die Bestimmungen des BGBB eingehalten werden, falls die juristische Person den Hof erwirbt. Wenn ein Mitglied des Kollektivs bereits im Besitz eines Betriebs ist, dann wäre auch die steuerneutrale Umstrukturierung eine mögliche Variante. Das bedeutet, dass die Rechtsform des Betriebs von der des Einzelunternehmens in eine juristische Person wechselt. Eine weitere Option wäre es, dass diese Person den Betrieb an eine juristische Person verpachtet, an welcher sie und die weiteren Kollektivmitglieder Anteile halten. Ausserdem besteht die Möglichkeit, die Gebäude im Baurecht zu kaufen, sodass die gebäudeseitigen Investitionen gemeinsam über die juristische Person getätigt werden können.

Ein zusätzlicher Punkt, der die AG/GmbH für landwirtschaftliche Kollektive interessant macht, ist die Regelung, dass für die Erwerbsbewilligung nach BGBB und Erhalt von Direktzahlungen nach DZV nicht alle Anteilhabenden die Auflagen erfüllen müssen. Bei einer AG müssen bloss zwei Drittel der Anteilhabenden als selbstbewirtschaftend (nach Art. 9, BGBB) gelten und bei der GmbH drei Viertel.

Tendenziell eignet sich die GmbH als Rechtsform eher für einen Landwirtschaftsbetrieb  als die AG. Die GmbH erfordert ein tieferes Startkapital, ist einfacher zu handhaben und ist eher personenbezogen, wohingegen die AG eher kapitalbezogene Merkmale aufweist. Grundsätzlich sind jedoch beide Rechtsformen denkbar.

Eine Übersicht zu AG/GmbH in der Landwirtschaft mit gezielten und detaillierten Informationen findet sich unter: AG oder GmbH in der Landwirtschaft.

Genossenschaft/Verein

Diese Rechtsformen trifft man beispielsweise im Bereich der solidarischen Landwirtschaft (solawi.ch) an. Umfasst ein Kollektiv viele Mitglieder, so dass es jährlich zu mehreren Wechseln kommt, dann eignet sich ein Verein (Art. 60-79, ZGB) oder eine Genossenschaft (Art. 828-926, OR), da bei diesen Rechtsformen der Ein- und Ausstieg sehr einfach erfolgen kann. Allerdings können Vereine und Genossenschaften keine Betriebe erwerben, da das BGBB dies untersagt. Eine Pacht wäre hingegen denkbar, wobei bedacht werden muss, dass diese Rechtsformen nicht umfassend direktzahlungsberechtigt sind. Biodiversitäts- und Landschaftsqualitätsbeiträge werden zwar ausbezahlt, aber zum Grossteil der Direktzahlungen besteht kein Zugang. Deswegen eignen sich diese Rechtsformen eher für Projekte mit spezifischen Visionen und vielen beteiligten Personen (z.B. Lebenshöfe, Solawi-Projekte, Quartierhöfe, etc.).

Mit- und Gesamteigentum (Art. 646-654, OR)

Kollektive können sich dazu entscheiden, einen Betrieb z.B. als einfache Gesellschaft (Art. 530-551, OR) oder Kollektivgesellschaft (Art. 553-593, OR) zu führen, wobei die Kollektivmitglieder Mit- oder Gesamteigentümer/-innen  sind. Dieses Vorgehen ist eher verbreitet bei Generationen- oder Geschwistergemeinschaften und bei Ehepaaren, welche den Betrieb gemeinsam führen, aber kann auch für Personen eine Option sein, welche in keinem engen Beziehungsverhältnis stehen. Allerdings ist der Nachteil dieser Form des gemeinschaftlichen Eigentums, dass einerseits alle beteiligten Personen beim Erwerb als Selbstbewirtschafter/-innen anerkannt werden müssen. Andererseits hat jeder Mitgliederwechsel eine Änderung im Grundbuch zufolge, wobei immer auch das BGBB beachtet werden muss. Wenn ein Kollektiv eine langfristige Bewirtschaftung in derselben Konstellation plant, kann das Mit- oder Gesamteigentum eine Möglichkeit sein, allerdings ist es keine so dynamische und wandelbare Form wie beispielsweise eine AG/GmbH.

Voraussetzungen für den Erwerb (nach Art. 61, BGBB):

  • Jede Person die Mit- oder Gesamteigentum am Betrieb hat, braucht für den Kauf eine Erwerbsbewilligung, es sei denn, der Kauf findet innerhalb der Familie statt.
  • Demnach muss jede Person als Selbstbewirtschafter/-in anerkannt werden.
  • Ein Betrieb kann nicht in Miteigentumsanteile von unter einem Zwölftel unterteilt werden.

Pacht oder Kauf

Je nachdem, ob das Kollektiv einen Betrieb erwerben oder pachten möchte, müssen unterschiedliche Gesetze und Verordnungen beachtet werden. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine Pacht in den meisten Fällen die einfachere Variante darstellt. Die finanzielle Belastung ist geringer und eine Auflösung des Projekts, sollte die Gemeinschaft auseinandergehen, wäre einfacher zu vollziehen. Ausserdem stellt das landwirtschaftliche Pachtgesetz (LPG) weniger strenge Auflagen an die Pachtpartei als das BGBB an die Kaufpartei eines Hofs. Das LPG stellt keine Anforderungen an die Rechtsform der Pachtpartei, d.h. auch Vereine, Genossenschaften oder Stiftungen können Höfe pachten. Wenn der Erwerb eines Betriebs durch ein Kollektiv gelingen soll, dann muss zuerst die Frage der Rechtsform (siehe Wahl der Rechtsform) beantwortet werden. Dafür müssen sich die Kollektivmitglieder im Klaren sein, welcher Horizont für das Projekt besteht und wie dynamisch die Zusammensetzung der Betriebsgruppe sein soll. Ausserdem müssen individuelle finanzielle und betriebsbezogene steuertechnische Aspekte bedacht werden.

Geregelte Rahmenbedingungen

Damit die gemeinschaftliche und gleichberechtigte Betriebsführung durch mehrere Personen gelingen kann, sollten gewisse Rahmenbedingungen schon vor der Aufnahme der Bewirtschaftung geklärt sein. Es muss klar sein, wie der Ein- und Ausstieg von Kollektivmitgliedern abläuft und wie man vorgeht, wenn sich das Kollektiv auflöst, was z.B. mit Hof und Inventar passiert. Ausserdem sollte vor Beginn der gemeinsamen Bewirtschaftung geregelt werden, wie die Einnahmen aufgeteilt werden und wer für finanzielle Verpflichtungen haftet. Da durch Abschreibungen stille Reserven entstehen und oftmals ein beträchtlicher Teil der Altersvorsorge in den Betrieben angelegt ist, muss schriftlich festgehalten werden, wer welchen Anteil am Gewinn erhält, sollte der Betrieb dereinst verkauft werden. Auch wenn ein Kollektivmitglied aussteigen möchte, muss bereits von vornherein klar sein, welcher Betrag dieser Person ausbezahlt wird.

Zusätzlich sollte klar geregelt werden, wer für welchen Bereich des Betriebs zuständig ist und wie man gemeinsam Entscheide fällt. Dazu gehört, dass man sich als Gruppe damit auseinandersetzt, wie man mit Meinungsverschiedenheiten umgeht. Ein geregelter Entscheidungsprozess beugt Streitigkeiten vor und sollte ebenfalls schriftlich festgehalten werden.

Je nach gewählter Rechtsform, bestehen verschiedene Möglichkeiten, wie die Rahmenbedingungen festgehalten werden können oder müssen. Bei der AG sowie der GmbH kann ein Teil der relevanten Aspekte in die Statuten aufgenommen werden (z.B. bzgl. Ein- und Austritt von Mitgliedern, Haftung, Stimmrechte, Gewinnbeteiligung usw.). Ausserdem können durch Gesellschafterbindungsverträge weitere Aspekte unter den Anteilhabenden der juristischen Person geregelt werden (z.B. Vorkaufsrechte, Verzichtserklärungen usw.).

Bei Vereinen und Genossenschaften sind hauptsächlich die Statuten massgeblich.

Beim Mit- oder Gesamteigentum sollten Verträge unter den Mitgliedern geschlossen werden, um bei Uneinigkeit Streit vorzubeugen. Wenn das Kollektiv noch keine Rechtsform gewählt hat und der Betrieb als Einzelunternehmen geführt wird, dann sind die Rahmenbedingungen meistens durch einen Arbeitsvertrag geregelt, wenn weitere Kollektivmitglieder angestellt sind.

Frühzeitige Planung

Betriebe, die von mehreren nicht verwandten Personen gleichberechtigt geführt werden, sind bisher eine Seltenheit. Die Behörden sind daher oft mit den Abläufen und Prozessen, die solche Konstrukte betreffen, wenig vertraut. Es lohnt sich daher in jedem Fall, frühzeitig Kontakt zu den kantonalen Amtsstellen aufzunehmen und Beratungsangebote in Betracht zu ziehen. Dadurch können allfällige Hindernisse frühzeitig erkannt und angegangen werden. Falls eine juristische Person gegründet werden soll, müssen Statuten ausgearbeitet werden. Im Fall eines Hofkaufs durch eine juristische Person bedarf es einer Erwerbsbewilligung, die vom zuständigen kantonalen Amt erteilt werden muss. Deswegen müssen die Statuten BGBB-Konform sein. Der Austausch mit den zuständigen Behörden während der Ausarbeitung kann mangelhaften Statuten vorbeugen und den Bewilligungsprozess zu einem späteren Zeitpunkt erleichtern.

Links und Ressourcen zum Thema


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Titelbild: AGRIDEA

Fachliche Mitarbeit:

  • Till Graf
  • Magali Lacam, AGRIDEA
  • Orlando Scholz, AGRIDEA

Redaktionelle Mitarbeit:

  • Florian Peyer, AGRIDEA
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